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Infrastrukturbau

Die Brücken von Bondo: Schutz und Wiederaufbau - Kunstbauten und Landschaft

Nach der Naturkatastrophe von 2017 entstand im Bergell ein Wiederaufbauprojekt von seltener Qualität. Die neuen Brücken fügen sich mit grossem Feingefühl in Topografie und Ortsbild ein – technisch raffiniert, formal zurückhaltend und tief in der lokalen Bautradition verankert. Sichtbeton, Flusssteine und präzise Geometrien verbinden sich zu einer robusten Infrastruktur, die Eleganz, Effizienz und Resilienz eindrucksvoll vereint. Ein Meisterwerk des Ingenieurbaus, das aus der Landschaft heraus zu wachsen scheint.

Ein gewaltiger Bergsturz, gefolgt von schweren Murgängen, zerstörte im Sommer 2017 zwischen den Dörfern Bondo und Promontogno im Bergell Brücken, Strassen und Gebäude. Beim Wiederaufbau wurden das Bachbett komplett umgestaltet und drei neue Brücken erstellt. Die massiven Eingriffe verändern die Landschaft. Sie erfolgten aber mit feinem Gespür für den Ort und formen zusammenhängende, grossmass­stäbliche Gesten. Das zeigt sich etwa in der Materiali­sierung, die von Böschungen mit grossen Flusskieseln über verblendete Schutzmauern bis zu den Brüstungs­bändern und Widerlagern der Brücken in Sichtbeton immer feiner wird. Die Steine stammen inklusive den Trockenmauern auf den dorfseitig angelegten Terras­sen der Schutzverbauung von den Murgängen. In ei­ner kleinen Feldfabrik wurden sie auf die gewünschte Grösse zugehauen und anschliessend zur Erreichung der benötigten Stabilität mehrheitlich in Verbund mit Beton verbaut. 

Das Projekt ist eine Zeitmaschine: Hat die Vegeta­tion erst einmal das Gelände zurückerobert, wird sich die Qualität der Kunstbauten noch deutlicher offenbaren. Zur optimalen Einfügung der Brücken in die Topographie und das Ortsbild – die beiden unteren liegen mehrere Meter höher als früher – sind sie als möglichst flache, vorgespannte Rahmenbrücken aus­gebildet. Die gewölbten Untersichten entsprechen den geforderten Freihalteprofilen und ermöglichen in der Mitte überaus schlanke Querschnitte. Zur wei­teren Minimierung des Materialverbrauchs sind sie teilweise hohl. Solch statisch ausgereizte Tragwerke lassen sich nur in Beton realisieren.

Dessen steinarti­ger Charakter sowie die angedeuteten Bögen verwei­sen zudem auf die lokale Bautradition. Ganz in der Gegenwart verwurzelt ist die reduzierte Ästhetik der horizontal geschalten Betonbrüstungen der Brücken und der die Fahrbahnen begleitenden Mauern. Netz­artig verweben sie sich mit der künstlich gestalteten Landschaft.

Am spektakulärsten ist die oberste Brücke, die die historische Verbindung ersetzt. Wegen Anforde­rungen an das Durchflussprofil, den gegebenen Anschlusspunkten, einer gewünschten Steigung von un­ter 10% und weiteren Aspekten ist sie als gekrümmte Rahmenbrücke mit 50 Metern Spannweite ausgebildet. Wie ein Bypass verlässt sie die alte Streckenfüh­rung und schwingt sich über den mittels Dämmen und Terrassen kanalisierten Bach. Ihre schlanke, komplexe Geometrie mit sichtbaren Verschneidungen wird von der Bretterschalung des Betons präzis nachgezeich­net und ist eine direkte Ableitung aus der Summe aller Vorgaben. Die starke Asymmetrie im Querschnitt bei den Auflagern wirkte sich gar positiv auf die Statik aus und ermöglichte so ein effizienteres Tragwerk. Die Jury lobte insbesondere, dass kein aufgesetzter Form­wille zu diesem Ergebnis führte. Vielmehr resultiert die ganze Kraft und Eleganz der drei Brücken samt ihrer Einbettung aus der meisterhaften Interpretation der vielfältigen Anforderungen sowie der gesuchten Langlebigkeit, wodurch eine weitere Katastrophe hof­fentlich vermieden werden kann.

YouTube-Film: Prix Beton 2025 – Preisträger Hochbau
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Brücke Punt
Brücke Punt
Brücke Punt
Brücke Punt
Vorspannung Brücke Punt
Vorspannung Brücke Punt
Brücke Bondasca
Brücke Bondasca
Bondasca Brücke
Bondasca Brücke
Projektdaten Brücken von Bondo

Projektdaten Brücken von Bondo

Aufgabe:
Neubau

Baukategorie (SIA 102):
Brücken

Verfahren:
Wettbewerb

ARGE «strata»:
.

Gesamtleitung / Kunstbauten:
Conzett Bronzini Partner

Wasserbau:
Eichenberger Revital

Strassenbau:
Caprez Ingenieure

Bauherrschaft:
Comune di Bregaglia, Tiefbauamt Kanton Graubünden

Baukosten:
10 Mio. CHF (nur Brücken)

Landschaftsarchitekten:
mavo / Müller Illien

Architekt:
Conradin Clavuot

Baukosten:
10 Mio. CHF (nur Brücken)

Projektbeginn:
2019

Fertigstellung:
2024