Beton bleibt – doch er wandelt sich.

In der Debatte um Klimaschutz und Bauwesen spielt Beton eine entscheidende Rolle. Patrick Suppiger, der Geschäftsführer von BETONSUISSE, betont, dass nachhaltiges Bauen nicht bedeutet, auf Dinge zu verzichten, sondern Verantwortung zu übernehmen. Beton ist und bleibt das Fundament unserer gebauten Umwelt. Er ist unverzichtbar für eine funktionierende Infrastruktur und eine lebenswerte Gesellschaft. Er erklärt, wo der Baustoff heute steht, warum sein Ruf besser ist, als viele denken und welche Bedeutung Wissen, Innovation und junge Talente für die Zukunft spielen.

Was ist der aktuelle Stand von Beton heute und was hat sich wirklich verändert?

Ein Baustoff, der die Prinzipien der Kreislaufwirtschaft beachtet und zudem eine lange Lebensdauer hat, ist nachhaltig. Beton weist diese Eigenschaften auf. In der Schweiz liegt die Recyclingquote für Betonabbruch bereits bei 85 Prozent. Das bedeutet, dass Beton am Ende der Lebensdauer eines Bauwerks mehrfach für neue Bauwerke genutzt werden kann. Auch bei Zementarten, Betonrezepturen und innovativen Herstellungsverfahren wurden erhebliche Fortschritte erzielt, um den Energieverbrauch zu senken und den CO₂-Ausstoss zu minimieren. Diese Entwicklungen zeigen, dass Beton und Zement heute nicht Teil des Problems, sondern ein wichtiger Hebel zur Erreichung der Klimaziele sind. Sie leisten einen messbaren Beitrag durch Wissen, Forschung und die effiziente Nutzung vorhandener Ressourcen.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist, dass Bauherren auf Langlebigkeit und Nutzungsflexibilität achten sollten. Das kann zum Beispiel durch Systemtrennung und flexible Tragstrukturen erreicht werden. Diese ermöglichen auch nach vielen Jahren noch Anpassungen der Raumkonzepte.

Weshalb hat Beton noch immer einen schlechten Ruf und ist diese Wahrnehmung überhaupt gerechtfertigt?

Ich finde, das ist nicht gerechtfertigt. Der Baustoff ist unverzichtbar – sei es für Gebäude, Brücken, Tunnel oder die gesamte Infrastruktur. Seine Eigenschaften, wie eine lange Lebensdauer, hohe Robustheit und Sicherheit sind aussergewöhnlich. Trotzdem wird Beton in der öffentlichen Wahrnehmung oft zu einseitig als Klimasünder betrachtet. Andere Materialien gelten als ökologischer, doch wer die Fakten betrachtet, stellt fest, dass kein anderer Baustoff Langlebigkeit, Tragfähigkeit und Kreislauffähigkeit in diesem Mass vereint.

Das Geheimnis der Nachhaltigkeit liegt also darin, Beton intelligent einzusetzen! Er sollte dort zum Einsatz kommen, wo er seine Stärken ausspielen kann. Es kann auch sinnvoll sein, ihn mit anderen Baustoffen zu kombinieren. Wichtig ist, dass die Materialien als Einheit die beste Leistung für das jeweilige Bauvorhaben erbringen.

Oft entsteht der Trugschluss entsteht oft durch die schiere Grössenordnung: Die Mengen an Beton, die weltweit verbaut werden, sind enorm. Dadurch wirken die Gesamtemissionen hoch, obwohl der spezifische CO₂-Fussabdruck von Beton im Vergleich zu anderen Baustoffen gut ist. Das Problem liegt also nicht im Material selbst, sondern in der Masse und im Umgang damit. Die Lösung liegt in intelligenter Planung und einem klugen Ressourceneinsatz.

Nach unserer Einschätzung könnten wir in vielen Bereichen bis zu einem Drittel an Beton und Bewehrungsmaterialien einsparen, wenn im Vorfeld mehr Zeit und Ressourcen in eine optimierte Planung und präzisere Berechnungen investiert würden. Die Fertigteilbranche zeigt bereits, dass dies möglich ist.

Ein weiterer Ansatzpunkt ist die Wahl der Zementsorte. Je nach erforderlicher Festigkeit und Dauerhaftigkeit kann der Klinkeranteil angepasst werden. Dieser ist für den grössten Teil der CO₂-Emissionen verantwortlich ist. Klinkerreduzierte Zemente sind bereits auf dem Markt erhältlich. Die Zementindustrie arbeitet intensiv an der Dekarbonisierung des Produktionsprozesses, da dieser den grössten Einfluss auf die Klimabilanz hat. Auch Carbon Capture, also die Abscheidung von CO₂, ist technisch möglich, erfordert jedoch viel erneuerbare Energie und Infrastruktur.

Ein vollständiger Ersatz von Beton durch andere Materialien wäre weder praktikabel noch ökologisch sinnvoll. Seine Funktion im Bauwesen ist zu zentral, um darauf zu verzichten. Entscheidend ist, wie wir ihn einsetzen und weiterentwickeln.

Nachgefragt

Wie können wir Bauwerke so entwerfen, dass sie entweder länger halten oder sich verändern lassen?

Heute werden die meisten Gebäude bereits lange vor dem Ende ihres Lebenszyklus abgerissen. Das müssen wir ändern. Es gibt mehrere Ansätze dafür:

  • Flexibles Design: Gebäude so entwerfen, dass sie sich an neue Bedürfnisse anpassen können, beispielsweise durch modulare Bauweisen und flexible Grundrisse.
  • Hochwertige Materialien: Gute Qualität trägt erheblich zur Lebensverlängerung von Bauwerken bei.
  • Umnutzung statt Abriss: Bestehende Gebäude bewahren statt sie zu ersetzen – das erfordert kreative Planung und Investitionen, ist aber der nachhaltigere Ansatz.
  • Lebenszyklusdenken: Bereits in der Planungsphase sollte man den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes berücksichtigen.

Diese Ansätze tragen dazu bei, die Nutzungsdauer zu verlängern und gleichzeitig den Ressourcenverbrauch zu minimieren.

Welche Chancen bieten Wiederverwendung und zirkuläres Bauen?

Das Potenzial ist enorm und das Bewusstsein dafür wächst. Durch die Wiederverwendung von Betonkonstruktionen werden natürliche Ressourcen geschont und das Denken in Kreisläufen gefördert. In der Schweiz haben wir bereits eine sehr hohe Rückführungsquote, und die Entwicklung geht weiter.

Das Silo Erlenmatt wurde 1912 von Rudolf Sandreuter erbaut und diente ursprünglich zur Lagerung von Getreide, Kakao und Kaffee. Es ist eines der ersten Gebäude aus Stahlbeton in der Schweiz.
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Dieser Industriebau wurde durch die Stiftung Habitat zu einem Hostel und multifunktionalen Begegnungsort umgebaut und zeigt, wie Betonarchitektur sensibel, ressourcenschonend und innovativ weitergedacht werden kann.
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Die technische Qualität von Beton macht den Umbau zu einem Beispiel dafür, wie Bestehendes neu genutzt werden kann.
Die technische Qualität von Beton macht den Umbau zu einem Beispiel dafür, wie Bestehendes neu genutzt werden kann.

Wie will BETONSUISSE die junge Generation und die Branche auf diesem Weg mitnehmen?

Wir setzen stark auf den Wissenstransfer. Unser Ziel ist es, die Akteure entlang der gesamten Wertschöpfungskette zusammenzubringen: Produzenten, Ingenieurinnen, Architekten und Studierende. Wir zeigen bestehende Lösungen und fördern Innovationen, die Kreislaufdenken und Nachhaltigkeit in der Praxis umsetzen. Insbesondere an den Hochschulen möchten wir die junge Generation inspirieren, den Baustoff Beton neu zu denken. Beton besitzt ein enormes Innovationspotenzial und ist gleichzeitig ein entscheidender Faktor, um die Klimaziele zu erreichen. Deshalb ist es wichtig, dass sich auch zukünftige Generationen von Architektinnen, Planern und Bauingenieuren intensiv mit diesem Baustoff auseinandersetzen. Nur so können wir unsere Ziele erreichen.

Was motiviert Sie persönlich, sich für die Zukunft des Baustoffs Beton einzusetzen?

Mich fasziniert das Potenzial eines Baustoffs, den wir alle zu kennen glauben. Beton ist nicht einfach nur grau, sondern wandelbar, vielseitig und technisch faszinierend. Er ist kein Problemstoff, sondern Teil der Lösung. Wenn wir ihn richtig einsetzen, kann er einen entscheidenden Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung und zu den Klimazielen leisten. Genau daran wollen wir weiterarbeiten.