Herr Rogenhofer, wir gratulieren Ihnen zu Ihrer neuen Funktion als Chief Climate Officer bei Losinger Marazzi. Welches waren die Gründe zur Schaffung dieser neuen Stelle?
Vielen Dank! In Anlehnung an die Klimastrategie 2050 des Bundes hat sich Losinger Marazzi verpflichtet, bis 2030 im Vergleich zu 2021 die CO2-äquivalenten Emissionen in unseren Projekten um 30 % zu reduzieren. Die Stelle des Chief Climate Officer wurde geschaffen, um unsere zukünftigen Handlungen besser zu orchestrieren, zu dokumentieren und zu messen und intern von Best Practices zu profitieren. Denn unsere Ambitionen und Ziele im Bereich Klima sind mit hohen Herausforderungen verbunden und erfordern eine spezifisch angepasste Organisation.
Die Klimastrategie ist ein bedeutender Teil Ihrer Unternehmensstrategie. Welche weiteren Elemente gehören Ihrer Meinung nach zum nachhaltigen Bauen?
Bei Losinger Marazzi leben wir schon seit langem eine Kultur des nachhaltigen Bauens vor. Themen wie Biodiversität, nachhaltige Zertifizierung von Gebäuden und die Kreislaufwirtschaft stehen im Zentrum unserer Tätigkeit. Nun möchten wir mit einem besonderen Fokus auf die Lebenszyklusemissionen nochmals einen Schritt weiter gehen.
Recyclingbeton hat bereits heute einen wichtigen Anteil an einem ressourcenschonenden Materialkreislauf. Wie schätzen Sie das Potenzial dieses Baustoffs ein und welche Voraussetzungen für den Einsatz müssen gegeben sein?
Wir beschäftigen uns selbstverständlich viel mit Recyclingbeton und haben auch schon diverse Erfahrungen in unseren Projekten gesammelt. Unser Ziel ist es, in der ganzen Schweiz einen möglichst hohen Anteil an Recycling-Granulat zu nutzen. Wir legen einen Schwerpunkt darauf, konsequent zertifizierten Recyclingbeton einzusetzen. Leider gibt es hier noch viele regionale Unterschiede, was die Arbeit schwieriger macht. Aber es gibt hier auf jeden Fall viel Potenzial, falls die Kosten in einem machbaren Rahmen bleiben. Besonders kombiniert mit einer Reduktion der CO2-Intensität des Zementes kann hier in der Schweiz sehr viel erreicht werden.
Welche Vorteile bringt ein auf Nachhaltigkeit ausgerichtetes Gebäude zukünftigen Investoren?
Mal abgesehen davon, dass es sich bei der Reduktion der CO2-Emissionen um eine gesellschaftliche Pflicht handelt, bieten nachhaltige Massnahmen auch Kostenvorteile. Zum Beispiel, wenn es um die Langlebigkeit der Materialien oder die Flächendichte geht. Hinzu kommt, dass gewisse Faktoren, wie tiefe CO2-Emissionen im Betrieb oder eine PV-Anlage auf dem Dach von vielen Mieterinnen und Mietern heute als Standard erwartet werden. Wir denken als Unternehmen langfristig und erarbeiten für unsere Kunden Projekte, die auch in ein paar Jahrzehnten den Anforderungen der Nachhaltigkeit aber auch den Bedürfnissen der Endnutzer heute und morgen gerecht werden. Mit der Gebäudeversicherung Bern (GVB) und der Wohnbaugenossenschaft ACHT Bern (wbg8) haben wir mit dem Projekt «Läbe im Burgereziel» zwei Bauherrinnen an unserer Seite, denen die Nachhaltigkeit ebenso ein wichtiges Anliegen ist.
Achten Sie bei der Wahl der verwendeten Baustoffe auf Regionalität?
Bei der Wahl der Baustoffe gibt es natürlich eine ganze Reihe an diversen Kriterien. Wenn man das Ganze aus Sicht der CO2-Emissionen anschaut, ist der Materialtransport zwar ein wichtiges Thema, es gibt aber hier einflussreichere Themen wie zum Beispiel der Fertigungsprozess der Materialien oder sogar die Materialwahl selbst. Trotzdem gilt natürlich, dass möglichst viel Baustoff regional bezogen wird. Das ist ja nicht nur für die CO2-Reduktion relevant, sondern auch, um die lokale Wirtschaft zu unterstützen. Wenn wir zum Beispiel spezifisch von Beton sprechen: Wir kaufen Beton schon aus technischen Gründen möglichst lokal. Interessant ist hier zum Beispiel auch die Nutzung von Recyclingbeton, welcher ganz direkt die lokale Kreislaufwirtschaft fördert (Beispiele: Läbe im Burgereziel, Morges Eglantines, Quai Vernets).
Welche Rolle nimmt der Baustoff Beton hinsichtlich Nachhaltigkeit aus Ihrer Sicht ein?
Beton ist zur Zeit einer der Hauptbaustoffe für die Bauindustrie, das wird sich auch nicht von heute auf morgen ändern. Aufgrund seiner hervorragenden technischen Eigenschaften wird es schwierig, Beton zu vergleichbaren Kosten zu ersetzen. Es gibt inzwischen aber sicher eine höhere Diversifikation mit Holzbau, Holzhybridbau usw. Hier ist die Betonindustrie gefragt, um transparent nachhaltige Lösungen zu liefern, welche die Attraktivität des Betons hochhalten. Aus Sicht der Ressourcenschonung kann zum Beispiel mit Recyclingbeton schon mal ein Schritt in die richtige Richtung gemacht werden. Aus Sicht der CO2-Emissionen wird damit leider nur wenig gespart. Um unsere Klimaziele zu erreichen, benutzen wir Beton (hier ist ja besonders der Zement wichtig) mit möglichst tiefen CO2-Emissionen – und nur dort, wo er Sinn macht.
Was erwarten Sie von der unserer Industrie und welche Innovationen würden Sie sich wünschen?
Der Klimawandel geht uns alle etwas an. Die Politik hat sich engagiert. Losinger Marazzi als verantwortungsbewusstes Unternehmen auch. Die Klimastrategie ist deswegen ein strategischer Schwerpunkt des Unternehmens und gleichzeitig auch eine Antwort auf die gesellschaftlichen Anforderungen. Dabei handelt sich um ein Thema, das uns alle etwas angeht und auf welches wir gemeinsam gezielt hinarbeiten müssen. Es braucht Transparenz und Austausch, um gemeinsam zukunftsorientierte und nachhaltige Lösungen zu finden. Das wünschen wir uns auch von der Zement- und Betonindustrie. Bezüglich Innovation gibt es dabei aus unserer Sicht zwei Hauptthemen: Der Klinkeranteil, welcher reduziert werden muss, sowie Produktionsprozesse mit weniger fossilen Energieträgern.