3D-Druck-Technologie
4 Min.

3D-gedruckte Häuser: Wie lebt es sich in diesen futuristischen Häusern?

Vom runden Eck bis zur eingebauten Badewanne – der 3D-Betondruck eröffnet Architektinnen und Architekten völlig neue Formen, spart Material und ermöglicht eine nachhaltige Bauweise. Das erste 3D-gedruckte Wohnhaus Deutschlands zeigt, wie digitale Planung, Betoninnovation und Energieeffizienz zusammenspielen, um Komfort und Zukunftsfähigkeit unter einem Dach zu vereinen.

3D-gedruckte Häuser: Wie lebt es sich in diesen futuristischen Häusern?

Bei dem gedruckten Einfamilienwohnhaus in Beckum handelt es sich um ein 2-geschossiges Wohnhaus mit einer Wohnfläche von ca. 160 m². Das Wohnhaus hat vier Schlafzimmer und zwei Bäder im Obergeschoss, sowie einen offenen Wohn-, Koch-, Essbereich und ein Gäste-Bad im Erdgeschoss. Bei der architektonischen Gestaltung des Gebäudes war es uns wichtig, die Potentiale des 3D-Drucks herauszustellen. Aus diesem Grund sind die Gebäudeecken abgerundet; zudem stehen die Aussenwände nicht rechtwinklig zueinander. Im Innenbereich wurde viel Wert darauf gelegt, die Zwischenwände orthogonal zueinander anzuordnen, um die Möblierung des Gebäudes mit Standardmöbeln zu ermöglichen. Die Gebäudekubatur mit der reduzierten Fassadengestaltung spiegelt eine zeitlose, klassisch moderne Architektursprache wider, die bewusst auf Effekthascherei verzichtet. Auch in der Schweiz wird stark an der 3D-Druck-Technologie gearbeitet/geforscht. Geplant ist aktuell ein 30 Meter hoher Betonturm in Mulegns.
 

3D-gedruckte Häuser: Wie lebt es sich in diesen futuristischen Häusern?

Was ist der Vorteil des 3D-Drucks?

Der 3D-Druck hat das Potential, das Bauen schneller und günstiger zu machen. Er erlaubt es zudem, das Thema «Fachkräftemangel» aus zwei Richtungen zu adressieren: Zum einen werden nur zwei Personen zum Bedienen des Druckers benötigt. Zum anderen ist diese Bauweise schonender zum Körper und kann helfen, Fachkräfte (insbesondere junge Fachkräfte) für die Baubranche zu gewinnen.

Welche Baustile sind mit einem 3D-Drucker möglich?

Der 3D-Druck eröffnet sehr viele Möglichkeiten in der Gestaltung von Gebäuden. So können zum Beispiel neu- und individuell geformte Wände realisiert werden, aber auch mit der Oberfläche kann gespielt werden. So kann die typische 3D-Druck-Optik realisiert werden. Es können jedoch auch glattere Oberflächen erstellt werden und die Wände können zudem auch verputzt werden. Die Bauherren und Architekten haben sehr viele Gestaltungsfreiheiten. Zudem können Teile des Innenausbaus direkt mitgedruckt werden (beispielsweise der Unterbau der Badewanne oder der Kaminofen)

Wie sieht die Tragwerkskonstruktion aus?

Das statische Konzept des Gebäudes ist stark angelehnt an herkömmliche Massivbauweisen. Alle horizontalen Bauteile sind mit teilvorgefertigten Stahlbetonbauteilen hergestellt worden. Alle vertikalen Bauteile wurden im Druckverfahren erstellt. Die gedruckten Wandbauteile dienen der Auflagerung der Betondecken. Die Aussteifung des Gebäudes erfolgt ebenfalls über die gedruckten Innenwände. Diese wurden teilweise als Hohlwände erzeugt und örtlich mit unbewehrten Beton verfüllt, um aufgrund der geringen Praxiserfahrung mit dem Druckmörtel ein Sekundärtragwerk aus Standardbeton zu generieren, welches den Sicherheitsaspekt für die Bewohner maximiert. Diese Ortbetonverfüllungen sollen bei zukünftigen Projekten entfallen.

Wie sieht es mit der Nachhaltigkeit aus?

Das erste gedruckte Wohngebäude Deutschlands wurde im Energiestandard eines KFW 55 Hauses (deutsches Förderprogramm für energiesparende Techniken) errichtet. Alle Umfassungsbauteile halten die U-Wertvorgaben der zu den Zeitpunkten gültigen EnEV* ein. Es wurde streng darauf geachtet an diesem Gebäude keine Dämmstoff aus Polystyrol zu verwenden, sondern nur ökologische Dämmstoffe bzw. Recyclingdämmstoffe. So wurden die Aussenwände mit Perlite verfüllt, unter der Betonsohle kam Schaumglasschotter zum Einsatz und auf der Dachfläche Schaumglasplatten als Dämmstoff. Grundsätzlich lässt sich das Gebäude gut zurückbauen. Der Dämmstoff aus Perlite kann abgesaugt und wiederverwendet werden. Der Druckmörtel kann gebrochen und ebenfalls als Recyclingmaterial wiederverwendet werden. Die Beheizung des Gebäudes erfolgt über eine Luft-Wasser-Wärmepumpe. Als Heizflächen dienen die Ortbetondecken, die über wasserführende Leitungen aktiviert werden. Über die Luftwärmepumpe kann das Gebäude so geheizt, aber auch gekühlt werden. Es wurde eine flächendeckende kontrollierte Wohnraumlüftung verbaut, um Lüftungswärmeverluste zu minimieren. Zur elektrischen Versorgung des Gebäudes wird eine PV-Anlage auf dem Dach herangezogen; die Gebäudesteuerung erfolgt über ein KNX-basiertes Smart Home System.

* Die Energieeinsparverordnung (EnEV) macht Bauherren und Immobilieneigentümern in Deutschland detaillierte Vorschriften zur Energieeffizienz ihres Hauses.

Bilder: Peri GmbH
Bilder: Peri GmbH
Galerie: 3D-gedruckte Häuser
Galerie: 3D-gedruckte Häuser

Erfahren Sie mehr aus Sicht Eigentümer...

3 Fragen an den Eigentümer des ersten 3D-gedruckten Hauses in Beckum

Weshalb haben Sie sich entschieden, in einem 3D-Druck Haus zu leben?
Es hat sich mehr um einen glücklichen Zufall gehandelt. Ich hatte bereits geplant, langfristig auf dem Grundstück ein Haus zu bauen, auf dem das 3D-Druck-Haus entstanden ist. Ein Bekannter meines Bruders hat sich dann in den Kopf gesetzt, in Beckum das erste 3D-Druck-Haus Deutschlands zu bauen und hat gefragt, ob das auf diesem Grundstück möglich wäre und dass ich dort nach einer Musterhausphase einziehen könnte. Da ich die Idee sofort spannend fand, habe ich bei diesem Vorschlag gerne zugesagt.

Wie lebt es sich in einem 3D-gedruckten Haus?
Im Grossen und Ganzen nicht viel anders als in einem konventionellen Haus. Der Stil ist aufgrund der besonderen Wandstruktur und der flexiblen Formen (abgerundete Ecken) etwas anders, aber das gefällt mir sehr gut.

Was können Sie zur allgemeinen Atmosphäre im Haus sagen?
Durch den modernen Stil des Hauses in Kombination mit einem Eichenfussboden ist die Atmosphäre sehr gemütlich und wohnlich.

Ulrich Mense, dipl.Ingenieur, MENSE-KORTE ingenieure + architekten
Ulrich Mense, dipl.Ingenieur, MENSE-KORTE ingenieure + architekten
Waldemar Korte, Architekt M.A., MENSE-KORTE ingenieure + architekten
Waldemar Korte, Architekt M.A., MENSE-KORTE ingenieure + architekten

Was gilt es bei der Planung zu berücksichtigen? Was ist anders?
Für die 3D-Druck-Bauweise existieren weder allgemein anerkannte Regeln der Technik, noch Ausführungsdetails, die bei der Ausführungsplanung hinzugezogen werden können. Die komplette Entwicklung der Standarddetails erfolgt von Beginn an. Die Planung muss zu einem sehr frühen Stadium dreidimensional mit einer hohen Planungstiefe erfolgen.

Welche architektonischen und ästhetischen Möglichkeiten bieten sich (noch) beim 3D-Druck?
In der Horizontalen ist jede erdenkliche Grundrissgeometrie realisierbar. In der Vertikalen sind Überhänge, je nach Material, von ca. 10° umsetzbar. In ästhetischer Hinsicht können Fassaden mit eingedruckten Reliefs und Mustern hergestellt werden. Zudem bietet die Layerstruktur des Druckverfahrens ohnehin schon eine anspruchsvolle, aussergewöhnliche Fassadentextur.

Wie war der Prozess von der Planung bis zur Umsetzung im Vergleich zu anderen Projekten?
Beim 3D-Druck liegt der Fokus auf der digitalen und interdisziplinären Planung mit allen Fachdisziplinen. Es wird in 3D geplant; der Unterschied zu herkömmlichen Bauvorhaben ist, dass diese 3D-Planung nicht auf einen 2D-Papierplan heruntergebrochen wird, mit dem an der Baustelle gearbeitet wird, sondern das digitale Model ist die Basis für die Maschine, aber auch für den bauleitenden Architekten.

Gibt es Vorteile aus Ihrer Sicht beim 3D-Druck?

  • Formfreiheit
  • Personalersparnis (wirkt dem Fachkräftemangel entgegen)
  • Schnelligkeit
  • Einsparung von Material
  • Implementierung von weiteren Gewerken in den Druckprozess

Weitere Informationen zum Thema Innovationen

Mehr Wissen rund um Beton:

Projekte

Ein 30 Meter-Betonturm aus dem Drucker

Führende Bauinnovations-Institute forschen seit einiger Zeit an den Möglichkeiten von 3D-gedruckten Bauten. Die ETH Forschungsgruppen Digital Building Technologies DBT, Physical Chemistry of Building Materials sowie die Professur für Massiv- und Brückenbau sind nun daran, mit einen 29 Meter hohen 3D-Print-Turm im bündnerischen Mulegns die neue Technologie erfahrbar zu machen und ihr ein Denkmal zu setzen.

Mehr
Projekte

Carbonbetonhaus CUBE: Ein Meilenstein der Baugeschichte

Klimafreundlicher, preisgünstiger, in der Anwendung breiter, in der Gestaltung experimenteller und nicht zuletzt langlebiger. In Dresden steht das erste Carbonbetonhaus der Welt.

Mehr