«Mit der Entstehung des futuristischen und gänzlich aus nichtmetallischer Bewehrung errichteten Carbonhauses CUBE in Dresden (DE) wird eine faszinierende Wechselwirkung zwischen dynamischer Formgebung und kubistischen Einflüssen demonstriert und die Wirtschaftlichkeit des Materials nach allen baurechtlichen Anforderungen beispielhaft dargestellt. Der Blick in die Zukunft lässt Unternehmer und Wissenschaftler positiv stimmen, dass der Einsatz dieser innovativen Technologie bereits unumkehrbar ist und zunehmend den Markt erobert», ist sich Prof. Dr.-Ing. Dr.-Ing. E.h. Manfred Curbach, Institutsdirektor und Professor für Massivbau der TU Dresden sicher.
«Das Carbonbetongebäude CUBE ist ein grosser Schritt in Richtung zukunftsfester Bausektor. Mit Carbonbeton lässt sich der Energieverbrauch der Bauwirtschaft schon heute drastisch reduzieren. In grossem Massstab eingesetzt, kann er das Bauen energieeffizienter, materialschonender und kreislauffähiger machen. Zugleich kann man mit dem neuen Baustoff technisch und ästhetisch sehr anspruchsvoll bauen. Das ist eine grosse Chance für das klimagerechte Bauen», so Staatsminister Thomas Schmidt (Sächsisches Staatsministerium für Regionalentwicklung).
Die Kombination aus Carbon und Beton spart Ressourcen
Beton besitzt die Eigenschaft, grosse Druckkräfte, aber so gut wie keine Zugkräfte aufnehmen zu können. Die matten- beziehungsweise stabförmige Bewehrung aus Carbon bildet daher eine innere Komponente, die in der Lage ist, diese Zugkräfte zu übernehmen. Ein perfektes Zusammenspiel, das viele Vorteile mit sich bringt – etwa eine Materialeinsparung je nach Einsatzgebiet von bis zu 80 Prozent. Das erste Bauteil aus Carbonbeton, welches eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung vom Deutschen Institut für Bautechnik erhalten hat, war eine Fassadenplatte mit einer Dicke von nur zwei Zentimetern. Bei einer vergleichbaren Fassadenplatte aus Stahlbeton sind acht bis zehn Zentimeter notwendig. Aufgrund des geringen Betonvolumens und der wesentlich leichteren Carbonbewehrung konnte die CO2-Emission um mehr als ein Viertel verringert werden. Die Materialeinsparung führt jedoch nicht nur zur Reduzierung der herstellungsbedingten Kohlenstoffdioxidemissionen und des Energieverbrauchs, es werden zudem wertvolle Ressourcen wie Sand und Wasser geschont. Carbonbeton verfügt über eine Bewehrung aus Kohlenstofffasern, die im Unterschied zu Stahl viel leichter, flexibler formbar und hochbelastbar ist und nicht rostet. Man braucht weniger Beton, um den Stahl vor Witterungseinflüssen zu schützen, und kann bis zu 70 Prozent CO2-Ausstoss sparen – ein wichtiges Thema für den Klimaschutz.
Carbonbeton: Ein geschlossener Stoffkreislauf
Bauwerke aus Carbonbeton können nach aktuellem Stand der Forschung gut recycelt werden. Nach dem Abbruch eines Gebäudes können die Bestandteile Carbon und Beton mit einem Reinheitsgrad von 98 Prozent separiert werden. Hierfür werden etablierte Verfahren angewendet, die bereits aus der Luftfahrt-, Auto- und Sportartikelindustrie bekannt sind. Zudem eignen sich handelsübliche Geräte und Maschinen sowohl für den Abbruch als auch für die Zerkleinerung des Carbonbetons. Die Sortierung der Komponenten erfolgt mit sensorgesteuerten und kamerabasierten Anlagen. Die aufbereiteten Carbonfasern können anschliessend für die Herstellung neuer matten- und stabförmigen Bewehrung oder als Material für die Herstellung von Autokarosserien oder Fahrradrahmen verwendet werden. Aktuell wird daran geforscht, Carbon aus Pflanzenalgen herzustellen.
Einsatzbereiche von Carbonbeton: Sanierung und Neubau
Durch eine dünnwandigere Bauweise mit Carbonbeton kann im Bereich des Neubaus mehr Nutzungsfläche gewonnen werden. Die elektrische Leitfähigkeit der Carbonfaser ermöglicht zudem die Integration von zusätzlichen Funktionen, wie Wandheizung und induktives Laden. Beim Brückenbau spielt die deutlich längere Lebensdauer, die auf 200 Jahre prognostiziert wird, eine wichtige Rolle. Durch die chemisch inerte Carbonbewehrung werden Instandsetzungsarbeiten vermieden. Carbonbeton erweist sich nicht nur im Neubau als die geeignete Alternative zum Stahlbeton, auch im Bereich Haussanierung oder Altbausanierung findet der Verbundwerkstoff Anwendung. Durch das Wegfallen der zusätzlichen Betondeckung, die zum Schutz des rostenden Stahls notwendig ist, können Bauwerke mit einer dünnen Schicht von einem halben bis einem Zentimeter Carbonbeton instandgesetzt werden. Aufgrund der Leichtigkeit des Carbons können bei der Sanierung von Silos oder Gebäudedecken die Bewehrungen deutlich schneller verlegt werden. Eine Befestigung der Bewehrungen mit Mauerankern ist nicht notwendig. Das Gewicht der bestehenden Gebäudedecken wird durch die dünne Carbonbetonschicht nur geringfügig erhöht, sodass auf eine Verstärkung der angrenzenden lastabtragenden Bauteile wie Stützen, Wände und Fundamente weitgehend verzichtet werden kann und die nutzbare Raumhöhe nahezu erhalten bleibt.
Zahlen und Fakten
Bis zum Mai 2021 errichtete ein ansässiges Bauunternehmen den zweigeschossigen CUBE-Fertigteilkomplex «BOX». Die Halbfertigteilwände, Decken und Treppen stellte das Betonwerk Oschatz her. Die Wände bestehen innen und aussen aus lediglich 4 cm dünnen, Carbonbetonschalen zwischen die eine 7 cm starke Hochleistungsdämmung und ein 12 cm dicker Füllbeton eingebracht wurden, sodass sich eine schlanke Aussenwand mit einer Gesamtstärke von 27 cm ergibt. Die Decken sind 25 cm stark, ca. 4,7 m lang und einachsig gespannt. Sie weisen einen Hohlkörperquerschnitt auf, um den Betonverbrauch möglichst gering zu halten. Die Hohlkörper wurden in der Art eingebracht, dass ein Deckenelement aus nur 3 cm dicken, carbonbewehrten Gurten und 19 cm hohen, 6 cm breiten Stegen besteht. Zur Verbindung der Fertigteile kamen Ortbeton und nichtmetallische Stab- und Bügelbewehrung zum Einsatz.
Quellen
Technische Universität Dresden, Verband C³ – Carbon Concrete Composite, beton.org
Bilder
Technische Universität (TU) Dresden, IMB, Stefan Gröschel
Autoren
BETONSUISSE, Prof. Dr.-Ing. Dr.-Ing. E.h. Manfred Curbach, Sandra Kranich
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