Prof. Dr. Benjamin Dillenburger leitet die Forschungsgruppe Digital Building Technologies der ETH Zürich.
Auf Bildern wirkt 3D-Druck-Bauen ziemlich schnell. Wie lange dauert es, bis eine Schicht trocken ist?
Trocken wird Beton im Prinzip nie. Wir sprechen da von Aushärtung bzw. Festigkeit. Wir erreichen eine Pfadlänge von ca. 20 cm pro Sekunde auf eine gerade Strecke. Das ist ziemlich schnell. Nach 2 Stunden ist eine Grundfestigkeit für eine 3 Meter hohe Struktur erreicht.
Wie sind sie auf Mulegns gekommen?
Das liegt in der Zusammenarbeit mit der Stiftung Origen begründet. Die Stiftung hat bereits andere für uns spannende Projekte in Mulegns realisiert. Zum Beispiel die weisse Villa oder das Post Hotel Löwe. Oder den roten Turm auf dem Julierpass. Dann ist Mulegns ein typisches Beispiel für einen Bergregionenort, der sich in starken Wandel befindet. Mulegns ist geprägt von regionaler Kultur und hatte schon immer mit Abwanderung zu kämpfen. Hier wurden einst Pferde für Reisen und Transport gewechselt, die Eröffnung der Albula-Eisenbahnstrecke hat die Julier-Route, und damit die wichtige Relais-Station Mulegns, aber ins Abseits gedrängt. Dennoch sind viele wieder in das Dorf am Julier zurückgekehrt. Mit neuen Eindrücken, Erfahrungen und Ideen. Und: die Landschaft ist hier einfach wunderbar.
Warum ein Turm und kein traditionelles Bündner Wohnhaus mit digitaler Bautechnologie bauen?
Das wäre durchaus interessant gewesen. Mit dem Turm können wir aber Neuland betreten. Es entsteht eine weltweit einzigartige, mehrgeschossig 3D-gedruckte Struktur in Form und Höhe, die uns wichtige Erkenntnisse für den Einsatz von gedrucktem Beton liefern kann. Zudem wollen wir mit der Stiftung Origen zusammen einen beispiellosen Ort schaffen, der zum einen ein Bühnenbild für aussergewöhnliche Inszenierungen liefert, zum anderen aber auch als eigenständige Architektur zum Erkunden einlädt. Man wird den Turm vom Julier herkommend gut sehen. Und vom Turm selber kann man das ganze Dorf Mulegns einsehen und bekommt einen schönen Blick auf die reizvolle Natur des Juliertals.
Was sagt die Dorfbevölkerung zum Turmbau zu Mulegns?
Die Projekte werden natürlich mitunter emotional diskutiert. Aber Origen hat ja bereits andere Gebäude realisiert und weiss, wie wichtig der konstruktive Austausch mit allen Anrainern ist. Der Turm hat letztlich gute Zustimmung bekommen, vielleicht auch, weil er 2028 wieder rückgebaut wird. Zudem arbeiten wir vor allem mit lokalen und regionalen Betrieben zusammen. Auch die ersten Bewilligungen sind gesprochen. Es kann also hoffentlich bald losgehen!
Was sind die nächsten Projekte von DBT?
Generell forschen wir zum Thema Digitalisierung im Bau weiter. Zum Beispiel wie man die Prozessparameter im 3D-Print auf der Baustelle mit den CAD-Werkzeugen zu einem System entwickelt, der bessere bzw. intuitivere Handhabung und Gestaltung verspricht. Dann suchen wir nach Wegen, Beton möglichst effizient einzusetzen und die Betonbewehrung in den Druckprozess zu integrieren. Wir wollen dank digitalen Bauformen günstiger, kreativer und nachhaltiger werden.
Wie nachhaltig ist 3D-Printen mit Beton?
Ein wichtiger, im Endresultat nicht sichtbarer Aspekt ist der Schalungsaufwand. Der ist im Prinzip gleich Null. Dann können wir sehr dünnwandig konstruieren oder Hohlformen nutzen, was enorm viel Baustoff einspart. Zudem kann auch an Transportkilometern gespart werden, weil wir in diesem Projekt – im Sinne einer Feldfabrik – am Bauort selbst oder in unmittelbarerer Nähe produzieren können.
Aber 3D-Print-Beton braucht oft mehr Zement als «klassischer» Beton.
Stimmt. Im Idealfall braucht ein 3D-geprinteter Betonbau netto jedoch weniger Zement und hat weniger Masse. Zudem forschen unsere Kollegen an neuen, zementreduzierten Betonarten und an der Einbindung von mehr Recyclingbeton.
Warum kommt einem die zauberhafte Set-Architektur der Verfilmung von Herr der Ringe in den Sinn?
Das liegt wohl im Auge des Betrachters! Die Formensprache soll sicher zu einem gewissen Grad bezaubern. Denn der Turm ist ja auch eine Bühne bzw. Bühnenbild für kulturelle Veranstaltungen. Es geht auch um neue Architektur, die durch neue Baumaterialien erst möglich werden. So wie das beim Aufkommen von Gusseisen- oder den ersten Betonkonstruktionen der Fall war. Beim weissen Turm finden sich Anlehnungen von barocken bis zu gotischen Formen. Von den tragenden Säulen bis über den verspielten Mittelbau bis zur Kuppel mit den schlanken Säulen gehen eine Formensprache in eine andere über.
Gibt es eine Alternative zu Beton?
Ja und nein. Beton wird wichtig für das Bauen bleiben und ist für Bauen mit 3D-Print-Technologie gut geeignet. Aber generell geht es beim 3D-Druck darum, die jeweils besten Eigenschaften eines Baustoffes strategisch zu nutzen. Mit Beton und 3D-Print können wir massgeschneiderte Lösungen so günstig wie nie zuvor realisieren. Zudem lassen sich mit 3D-Print-Beton sogar funktionale Stay-in-place Schalungen für Deckenkonstruktionen drucken. Mit Smart Slab, also der digital produzierten intelligenten Decke, haben wir auf dem Dach der EMPA bewiesen, wie Beton auch in Verbindung mit 3D gedruckter Schalung aus anderem Material optimiert einsetzen kann.
Wie sieht die Zukunft von 3D-Beton aus?
Die digitale Bautechnologie hat Zukunft und Beton spielt darin natürlich eine tragende Rolle. Wir forschen hauptsächlich in der Vorfertigung. Innovative Baustoffe wie Faserbeton oder wie erwähnt materialoptimierte und performative Bauteilentwicklung gehören auch dazu. Wir stehen erst am Anfang einer sehr spannenden Zukunft.