Nachhaltigkeit
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Energiesparende Heiz- und Kühlsysteme in Mehrfamilienhäusern

Betondecken als effizientes Wärme- und Kälteabgabesystem: In Egnach setzt ein neues Mehrfamilienhaus auf wegweisende Technologie für energiesparendes Heizen und Kühlen. Eine moderne Wärmepumpenlösung nutzt Erdwärme und thermische Bauteilaktivierung, um ein bemerkenswert angenehmes Raumklima zu schaffen.

Energiesparende Heiz- und Kühlsysteme in Mehrfamilienhäusern

Stellen Sie sich vor, die Betondecke Ihres Hauses dient als effizienter Heizkörper. Die grossflächige Wärmeabstrahlung sorgt für Behaglichkeit bei niedrigen Temperaturen, was nicht nur den Komfort steigert, sondern auch die Energiekosten minimiert. Doch nicht nur das Heizen, sondern auch ökonomisches und umweltfreundliches Kühlen wird möglich. Die Installation der thermischen Bauteilaktivierung (TABS) ist technisch einfach durchzuführen, und die Kosten sind vergleichbar mit denjenigen einer Standard-Fussbodenheizung.

«Während der Planung und Umsetzung wurden mehrere technische Vorteile und Herausforderungen identifiziert», erklärt Lukas Nyffenegger, Geschäftsführer bei Lunitec GmbH, der planenden Ingenieurfirma für die TABS. «Detailauslegung, Berechnung und Erstellung der Ausführungspläne geschahen früher als üblich. Der Einbau erfolgte parallel zum Hochbau in Betonieretappen, anstatt erst im Rohbau oder Innenausbau.»

«Zudem wurde eine Höhenoptimierung bei den Unterlagsböden vorgenommen, was zu einer verkürzten Bauzeit und schnelleren Trocknungszeiten führte», betont er. «Diese Massnahmen haben die Effizienz des Gebäudes erheblich gesteigert.»

Durch die Wärmepumpe wird kaltes oder warmes Wasser durch die Heiz- und Kühlleitungen der Betondecke geleitet. Diese speichert die Energie und verteilt sie gleichmässig im Heizbetrieb an die Räume. Im Kühlbetrieb entzieht die aktivierte Betondecke den Räumen die Wärme und führt sie dem Erdreich zu.

Das Mehrfamilienhaus in Egnach nutzt das Konzept der Betonkernaktivierung, um je nach Bedarf über die Zimmerdecken zu heizen oder zu kühlen. Die thermisch aktivierte Betonfläche erstreckt sich über 1'445 Quadratmeter und verteilt sich auf die 17 Wohnungen des Gebäudes. Die umfassende Verteilung ermöglicht niedrige Vorlauftemperaturen und reduziert so den Strombedarf der Wärmepumpe. Die angenehme Wärmestrahlung der Decke durchdringt den gesamten Raum, erwärmt zusätzliche Bauteile und schafft eine behagliche Atmosphäre.

Energiesparende Heiz- und Kühlsysteme in Mehrfamilienhäusern

Im Sommer 2023 ging die Anlage in Betrieb. Lukas Nyffenegger fasst erste Erfahrungen zusammen: «Mit den niedrigeren Vorlauftemperaturen hat die Effizienz eindeutig zugelegt. Durch den geringeren Hub der Wärmepumpe ergeben sich energetische Vorteile. Zudem ist die passive Kühlung effizienter, was wiederum zu einer höheren Regeneration der Erdwärmesonden beiträgt. Vorliegende Berechnungen zur Betriebsenergie bestätigen diese positiven Effekte.»

Diese Technologie bietet nicht nur zusätzliche Nutzflächen dank der Deckenintegration, sondern steigert auch den Wert von Immobilien durch ein angenehmeres Raumklima. Sie ermöglicht kosteneffiziente Kühlung in heissen Sommermonaten, ist wartungsfreundlich und langlebig, was langfristig zu geringeren Instandhaltungskosten führt und intelligente Steuerungssysteme sorgen für erhebliche Kosteneinsparungen.

Gemäss Lukas Nyffenegger sei die Planung abhängig vom Gebäudetyp und dem spezifischen Bedarf an Wärme und Kälte, wobei besonders die Kühlung eine zentrale Rolle spielt. Diesbezüglich erklärt er: «Es ist physikalisch entscheidend, die Kühlung unter der Decke exakt zu platzieren. Wenn die Bauteile nah an der Oberfläche aktiviert werden, reagiert das System schneller, aber die Speicherkapazität wird nicht komplett ausgeschöpft.»

Vorteile der Nutzung der Bauteilaktivierung
Die thermische Bauteilaktivierung ist also eine effiziente, kostensparende und umweltfreundliche Methode zur Raumklimatisierung. Dank der Nutzung der Speichermasse gleicht sie Temperaturschwankungen aus und kann den Energiebedarf mithilfe von erneuerbaren Quellen wie Sonne, Wind und Erdwärme decken. Das macht sie zu einer attraktiven Wahl für moderne, nachhaltige Gebäude. Sie ermöglicht gar, einige Tage zu überbrücken, wenn keine erneuerbare Energie verfügbar ist.

Nach Ansicht von Maria Rehbogen (ZAB Zukunftsagentur Bau GmbH), der Leiterin des Forschungsprojekts Cool*Alps, bietet die thermische Bauteilaktivierung einen enormen Vorteil: «Wir können mit einem System Heizen UND Kühlen und durch die Speichermassen können wir die volatil anfallende erneuerbare Energie viel besser ausschöpfen und das bei minimierten Betriebskosten und vergleichbaren Baukosten».

Cool*Alps: Forschungsprojekt und dessen Ziele
Das Projekt Cool*Alps hat ein klares Ziel: Es will die Anpassungsfähigkeit an den Klimawandel im Alpenraum verbessern und die Energiesicherheit stärken, indem es die Verbreitung thermisch aktivierter Gebäude vorantreibt.

In den Klimaszenarien wird eine deutliche Zunahme von Hitzewellen und Extremwetterereignissen erwartet. Im alpinen Raum steigt die Anzahl der Hitzetage stetig an, was zu einem erheblichen Mehrbedarf an Kühlenergie in Gebäuden führt. Gleichzeitig bringt der Ausbau erneuerbarer Energie durch die Volatilität der Produktion neue Herausforderungen für die Energieversorgungssicherheit mit sich und erhöht den Bedarf an Speichermöglichkeiten.

Derzeit werden Gebäude zur Vermeidung sommerlicher Überhitzung vermehrt mit Klima-Split Geräten ausgestattet, welche mit ihrer Abwärme das mikroklimatische Problem der Umgebung nochmals verstärken.

Cool*Alps strebt danach, durch die Förderung innovativer, thermisch aktivierter Gebäude die Anpassungsfähigkeit an den Klimawandel zu verbessern und die Energiesicherheit im Alpenraum zu stärken. Diese Gebäude ermöglichen CO2-freies Heizen und Kühlen mit einem einzigen System und machen Siedlungen flexibler und widerstandsfähiger gegen extreme Hitzeperioden. Auch BETONSUISSE engagiert sich als ein Cool*Alps-Forschungspartner.
 

Mehrfamilienhaus in Egnach

Erstellungsjahr:
2023

Nutzfläche:
1445 m2

Anzahl Wohnungen:
17

TABS:
Decke EG, Decke 1.OG, Decke 2.OG

Energieversorgung:
Wärmepumpe mit Erdsonde inkl. Geocooling

Architekt:
Strässle Architekturbüro Wil

Planer TABS:
Lunitec GmbH Winterthur

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