Projekte, Infrastrukturbau
4 Min.

Hochwasserschutz Sarneraatal

Wenn Wasser zur Gefahr wird, braucht es mehr als Technik. Mit einem Entlastungsstollen, massiven Betonstrukturen und klarer Verantwortung will Obwalden das Tal sichern – ein Gespräch mit Regierungsrat Dr. Josef Hess zeigt, was dahintersteckt.

Hochwasserschutz Sarneraatal
Quelle: Kanton Obwalden
Quelle: Kanton Obwalden

Der Hochwasserentlastungsstollen Ost erhöht bei Hochwasserereignissen die bisher begrenzte Abflusskapazität des Sarnersees signifikant und sorgt so für eine sichere und kontrollierte Entlastung des Sarneraatals. Das Projekt umfasst neben dem Bau des Entlastungsstollens vom Sarnersee bis unterhalb des Wichelsees auch umfassende Hochwasserschutzmassnahmen und ökologische Aufwertungen entlang der Sarneraa. Unter Berücksichtigung ökologischer Aspekte werden die Schutzziele rund um den Sarnersee sowie entlang der Sarneraa zwischen Sarnersee und Wichelsee erreicht.

Baustellenrundgang mit dem Projektverantwortlichen des Tiefbauamts Obwalden, Daniel Fanger, dipl. Bauing. ETH.
Baustellenrundgang mit dem Projektverantwortlichen des Tiefbauamts Obwalden, Daniel Fanger, dipl. Bauing. ETH.

BETONSUISSE hatte die Gelegenheit, die aktuelle Baustelle zur Hochwassersicherheit im Sarneraatal (OW) zu besichtigen und ein Interview mit Dr. Josef Hess, Regierungsrat und Vorsteher des Bau- und Raumentwicklungsdepartements, zu führen.


Wie weit ist der Bau des Entlastungsstollens in Sarnen fortgeschritten?
Die Ausbauarbeiten sind im Gang. Die Auskleidung mit Spritzbeton ist weitgehend abgeschlossen. Das Einlaufbauwerk ist im Bau und wird im Frühling 2025 abgeschlossen. Anfang 2025 starten die Arbeiten am Auslaufbauwerk.

Wann wird der Entlastungsstollen voraussichtlich fertiggestellt und in Betrieb genommen?
Aufgrund des Bauzustandes (Einlaufbauwerk und Stollenauskleidung fertig) ist ein provisorischer Notbetrieb ab Frühjahr Frühling 2025 bei sehr starker Hochwassergefahr möglich. Ab Juni 2026 sind alle Teile des Entlastungsstollens (inkl. Auslaufbauwerk) betriebsbereit.

Gab es während der Bauphase besondere technische Herausforderungen? Wenn ja, wie wurden diese gelöst?
Es gab verschiedene Herausforderungen. Die bedeutendste waren die Wassereinbrüche. Statt der erwarteten 50 lt/s traten 400 lt/s ein. Das Wasser wird abgeleitet und während der Bauphase abgepumpt. Weiter machten Klüfte, harter Fels und instabile Wände und Decke des Tunnels mit Gesteinsnachbrüchen zu schaffen. Deshalb mussten über 1300 Stahlbögen zur Profilverstärkung eingebaut werden.

Dr. Josef Hess, Regierungsrat, Vorsteher Bau- und Raumentwicklungsdepartement
Dr. Josef Hess, Regierungsrat, Vorsteher Bau- und Raumentwicklungsdepartement

Wie hoch ist das Risiko von Hochwasserereignissen in Sarnen und Umgebung ohne diesen Entlastungsstollen?
Schon ab einem Ereignis, das durchschnittlich alle 10 Jahre eintritt, treten rund um den Sarnersee und entlang der Sarneraa bedeutende Schäden und Beeinträchtigungen auf. Diese können sich auf einige Mio. Franken belaufen. Das kumulierte Hochwasserrisiko, das auch seltenere und grössere Ereignisse einschliesst, wurde mit Fr. 6'500'000.- pro Jahr berechnet. Das bisher mit Abstand grösste Hochwasserereignis vom August 2005 verursachte im Bereich des Sarnersees und der Sarneraa Schäden von mehr als 250 Mio. Franken.

Wie bereitet sich die Region Obwalden auf zunehmend extreme Wetterereignisse vor?
Der Hochwasserschutz wird nicht nur an der Sarneraa, sondern auch an den Seitengewässern weiter vorangetrieben, sodass bis zu einem 100-jährlichen Ereignis keine bedeutenden Schäden zu erwarten sind. Wichtig ist auch die konsequente und dauerhafte Pflege unserer Schutzwälder, in die der Kanton jedes Jahr über 5 Mio. Franken investiert.

Welche Rolle spielt der Klimawandel in der regionalen Planung und Politik?
Der Klimawandel spielt in Planung und Politik eine bedeutende Rolle und entsprechende Massnahmen werden in den verschiedensten Bereichen (Hochwasserschutz, klimaangepasste Pflege und Umwandlung der Wälder, Verbesserung der Wasserversorgung, Vorkehrungen gegen Hitze) umgesetzt.

Gibt es weitere geplante oder laufende Projekte in Obwalden, um die Region vor extremen Wetterereignissen zu schützen?
Solche gibt es. Neben den Projekten an der Sarneraa, die uns noch einige Jahre beschäftigen, ist insbesondere ein grosses Projekt zur Verbesserung der Hochwassersicherheit an der kleinen. Schliere in Alpnach vorgesehen. Ein Grossprojekt an der Engelbergeraa im Tal Engelberg steht kurz vor dem Abschluss. Daneben werden jedes Jahr kleinere und mittlere Projekte in den Seitengewässern in allen Gemeinden umgesetzt.

Wie wird die Bevölkerung in die Planung und Umsetzung solcher Schutzmassnahmen einbezogen?
Bereits während der Planung von grösseren Projekten wird die Bevölkerung an Informations- und Diskussionsveranstaltungen einbezogen und können ihre Anliegen einbringen, die dann – soweit möglich – in die weitere Planung einfliessen. Im Rahmen der Projektauflage, die vor der Genehmigung der Projekte stattfindet, können sich die betroffenen Bürger und Bürgerinnen im Rahmen von Einsprachen äussern. In vielen Fällen finden auch Abstimmungen über Kreditvorlagen zu Schutzmassnahmen statt, zu denen sich die Bürger und Bürgerinnen mit dem Stimmzettel äussern können.

Was sind Ihrer Meinung nach die grössten Herausforderungen, die der Klimawandel für die Region Obwalden mit sich bringt?
Der Klimawandel hat gerade bezüglich Naturgefahren grosse Auswirkungen. Die Natur wird unberechenbarer, Extremereignisse heftiger und häufiger. Durch den Klimawandel ändern sich auch die Lebensbedingungen für den Wald und die landwirtschaftlichen Kulturen. Im Sommer ist Wassermangel ein häufigeres Phänomen und in den Siedlungen im Tal treten vermehrt Hitzetage auf. Schneemangel im Winter in mittleren und tiefen Lagen und das Verschwinden der Gletscher werden Veränderungen des touristischen Angebotes zur Folge haben. Daher wird auch von einer saisonalen Umverteilung der Hochwassergefahr ausgegangen. Die Gefährdung im Frühsommer, ausgelöst oder verstärkt durch die Schneeschmelze, wird bei zunehmender Erwärmung und geringeren Schneelagen als geringer eingestuft. Herbst- und Winterhochwasser durch Warmfronten und Regenfälle bis in hohe Lagen werden dagegen häufiger erwartet.

Wie sehen Sie die Zukunft des Hochwasserschutzes in Obwalden?
Dank Umsetzung zahlreicher Hochwasserschutzprojekte in den vergangenen Jahrzehnten und in den kommenden Jahren, genaueren Gefahrenkarten und einer besseren Warnung und Notfallplanung wird der Kanton Obwalden bezüglich Hochwasserschutz in der Zukunft bedeutend besser gewappnet sein. Eine vollständige Sicherheit wird es nie geben, dies ist weder technisch noch finanziell umsetzbar. Auch wird die Natur immer wieder und immer häufiger Überraschungen bieten.
 

Vielen Dank für das Gespräch Dr. Josef Hess.
 

Beton im Hochwasserschutz

  • Hohe Widerstandsfähigkeit
    Vorteil: Beton ist extrem widerstandsfähig gegen Erosion und mechanische Belastungen. Dadurch bietet er dauerhaften Schutz gegen die zerstörerischen Kräfte von Hochwasser.
  • Langlebigkeit und geringe Wartungskosten
    Vorteil:
    Betonstrukturen haben eine lange Lebensdauer und benötigen nur minimalen Unterhalt. Dies reduziert die langfristigen Kosten und sorgt für eine zuverlässige Barriere gegen Hochwasser über Jahrzehnte hinweg.
     
  • Erhöhte Sicherheit der Bevölkerung
    Vorteil: Durch den Einsatz von Beton im Hochwasserschutz werden Überschwemmungen und die damit verbundenen Gefahren reduziert. Dies verringert das Risiko und sorgt für die Sicherheit.

Facts & Figures

  • Hochwasserentlastungsstollen Ost als Druckstollen (Länge: 6,6 km, Innendurchmesser: 6,4 m, Abflusskapazität: 130 m³/s)
  • Einlaufbauwerk als dauerhaft rund 9 m unter Wasser liegende Seewasserfassung mit angrenzenden Betriebsräumen und Revisions- und Notschütz
  • Auslaufbauwerk mit redundanten Regulierschützen, Tosbecken und Mündung in die Sarneraa
  • Hochwasserschutz- und ökologische Aufwertungsmassnahmen an der Sarneraa (Länge: 3,7 km)
  • Schlauchwehr Sarneraa zur Regulierung des Sarnersees im Hochwasserfall und zur ökologischen Bewirtschaftung angrenzender Biosphärenbereiche (Breite: 14 m, Höhe: 1,6 m)
  • Verschiebung der Etschischwelle nach Oberstrom an das Wehr Wichelsee und damit einhergehende Sohlenabsenkung und Verbreiterung sowie ökologische Aufwertung der Sarneraa

Mehr Wissen rund um Beton:

Projekte, Kreislaufwirtschaft, Recyclingbeton

Wie aus einer alten Mühle ein zukunftsweisendes Wohnquartier wurde

Aus einer alten Mühle in Grüsch entstand ein zukunftsweisendes Wohnbauprojekt. Es verbindet ökologische Verantwortung, technische Präzision und gelebte Zusammenarbeit und ist das erste DGNB-zertifizierte Rückbauprojekt der Schweiz. 52 Mietwohnungen, optimierte Materialkreisläufe und ein urbaner Loftcharakter zeigen, wie nachhaltiges Bauen heute funktioniert.

Mehr
Vorfabrikation, Recyclingbeton

Generationenübergreifend wohnen

Mit dem «Gesundheitszentrum für das Alter» entstand nach Plänen von Allemann Bauer Eigenmann Architekten ein fünfgeschossiger Baukörper, der sich zum vorhandenen Stadtquartier öffnet und somit einen generationenübergreifenden Beitrag leistet.

Mehr