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Die Zukunft des nachhaltigen Bauens: der JED Neubau

Der JED Neubau ist ein Manifest eines «Healthy Buildings». Das Gebäude appelliert an die Kreislaufwirtschaft und bietet seinen Nutzern gleichzeitig eine gesunde Arbeitsumgebung mit maximalem Komfort. Welche Rolle der Beton dabei spielt, erklären Claudius Meinel und Bernd Hofer.

Die Zukunft des nachhaltigen Bauens: der JED Neubau

Auf dem Gelände der ehemaligen NZZ Grossdruckerei in Schlieren (ZH) entsteht neben dem transformierten Bestandsgebäude ein Neubau.

Neuartiges Gebäudekonzept

«JED» steht für «Join. Explore. Dare.» und bildet ein Zentrum für Innovation und Wissenstransfer. Der Mensch steht im «JED Neubau» im Mittelpunkt, denn das Gebäude ist auf dessen Wohlbefinden ausgelegt. Während der Nutzungsphase dienen Geräte und Beleuchtung sowie auch die natürliche Körpertemperatur der Nutzenden als Wärmequellen. Diese werden durch die kluge Architektur mit dem massiven Baukörper und seiner thermischen Speicherfähigkeit geschickt nutzt. Die intelligente Gebäudesteuerung regelt die Temperatur, CO2-Gehalt und Luftfeuchtigkeit über Lüftungsklappen automatisch. So kommt das Gebäude grossmehrheitlich ohne konventionelle Heizung, Lüftung und Kühlung aus.

Einblicke in den Neubau mit Claudius Meinel und Bernd Hofer
Einblicke in den Neubau mit Claudius Meinel und Bernd Hofer

Folgende Vorteile von Beton wurden beim JED Neubau optimal genutzt:

  • Der Einsatz von rezyklierter Gesteinskörnung – Betongranulat – welches mit Kohlendioxid CO2 behandelt wurde. Dabei wird einerseits CO2 gebunden (10 kg CO2 pro Kubikmeter Beton) und andererseits werden die Eigenschaften des Granulats verbessert.
  • Die Verwendung von Beton als thermischen Massenspeicher
  • Die Lebenszyklusbetrachtung bezüglich Kosten, Emissionen und Umwelteinwirkungen
  • Die kreislauffähige Planung des Gebäudes. Der Beton ist beispielsweise nach Rückbau wiederverwertbar.

Dieses Gebäudekonzept heisst «2226» und stammt aus der Feder von Professor Dietmar Eberle von Baumschlager Eberle Architekten. «Es geht um Komfort. Energieersparnis und damit auch ökonomische Vorteile sind lediglich die willkommenen Folgen dieses Konzepts, das ressourcenarm funktioniert», erklärt Eberle.

«Am Anfang stand die Vision, ein Haus ohne Heizung und Kühlung zu bauen. Es soll Atmosphäre und stets wohltemperierte Innenräume bieten – messbar in der weltweit akzeptierten Wohlfühltemperatur von 22 bis 26 Grad Celsius. Mit der Zahl «2226» verbindet sich also eine real gewordene Vision sowie ein Versprechen an ein visionäres Gebäudekonzept.

«Mit Ausnahme der geplanten Laborflächen, die Haustechnik benötigen, wird dieses Konzept im «JED Neubau» umgesetzt werden. Es leistet einen wegweisenden Beitrag zu den Architekturfragen unserer Zeit und setzt dem herrschenden Diktum, Energieeffizienz sei nur mit einer hochkomplexen Haustechnik möglich, etwas entgegen, das fast in Vergessenheit geraten war: die elementaren Mittel der Baukunst», so Professor Dietmar Eberle.

«2226» funktioniert mit folgenden Mitteln: Wände aus Ziegel und Decken aus Beton, die als Dämm- und Speichermasse dienen; ein austariertes Zusammenspiel von Fassaden- und Fensterflächen sowie von Proportionen, Materialien und Licht. Elementar ist zudem die Gebäudesteuerung – sie misst die inneren und äusseren Bedingungen und nutzt diese zusammen mit der Steuerung der Fensterflügel intelligent zur Temperaturregelung.

Weiter überzeugt das Konzept mit verhältnismässig tiefen Baukosten, bei der Energieeffizienz und den Lebenszykluskosten: Durch den Verzicht auf einen Grossteil der gängigen Haustechnik entfällt der Aufwand für deren Planung, Beschaffung und Wartung; zugleich bleiben die Betriebskosten niedrig. Nicht zuletzt tragen eine zeitlose Ästhetik, hochwertige Materialien und nutzungsneutrale Flächen zur Langlebigkeit eines Gebäudes bei.

Prinzip 2226, Quellen: Match Communications GmbH und FREO Switzerland AG
Prinzip 2226, Quellen: Match Communications GmbH und FREO Switzerland AG

Die Vorteile des JED Neubaus kurz zusammengefasst:

  • effizienzsteigernde und gesundheitsfördernde Arbeitsräume
  • reduzierte Treibhausgasemissionen im Betrieb, da ohne zentrale Heizung, Lüftung und Kühlung gearbeitet wird (mit Ausnahme der Laborflächen)
  • erneuerbare Energie aus Photovoltaikanlagen auf dem Dach
  • intelligente Klima-Architektur mit thermischer Speichermasse, Isolierung und optimierten Materialien
  • natürliche Kühlung und Heizung durch sensorisch gesteuerte Lüftungsflügel; Abwärme der anwesenden Menschen, der technischen Geräte und der Beleuchtung
  • Wartungsarm durch klare Achitektur und minimale Gebäudetechnik sowie durch kontinuierliches Monitoring von Temperatur, Energieverbrauch, CO2-Werten, etc.

Drei Fragen an Claudius Meinel
Leiter Neubauten und Mitglied der Geschäftsleitung bei Rhomberg Bau AG

Was war das Spannendste an diesem Projekt aus Sicht des Generalunternehmers?
Spannend beim «JED Neubau» ist der Nachhaltigkeitsaspekt. Das heisst, die Lebenszyklusbetrachtung und dies von der Produktion der Werkstoffe über die Verarbeitung vor Ort bis zum Betrieb des Gebäudes.

Welche Aufgabe muss ein Totalunternehmer (TU) im Sinne der Nachhaltigkeit heute leisten?
Als TU haben wir bereits bei den ersten Planungsschritten die Lebenszyklus-Betrachtung im Auge. Hierunter fällt der Bedarf an Energie und Ressourcen – nicht nur im Herstellungsprozess, der Verarbeitung vor Ort, sondern auch später im Betrieb des Gebäudes. Dazu binden wir von Beginn an Spezialisten ein, die für die optimale Lebenszyklusbetrachtung, die optimale Bauökonomie und die optimale Bauökologie ihr Wissen einbringen.

Was ist neu respektive anders beim «JED-Neubau»?
Neu bei der Zero Energy Strategie «2226» ist die signifikante Erhöhung der Rückbaumaterialen, dank denen CO2 gespeichert werden kann. So «erlegen wir zwei Fliegen auf einen Schlag». Wir schliessen den stofflichen Kreislauf und mittels des Einsatzes von Rückbaumaterialien kombiniert mit der CO2-Speichertechnologie ist es uns möglich, je Kubikmeter Beton 10 kg CO2 einzulagern. Allein durch diese Massnahme können wir bei unserem Projekt über 100 Tonnen CO2 einlagern! Das ist ein Wegweiser für nachhaltiges, umweltbewusstes Bauen.

Als Totalunternehmung ist die Rhomberg Bau AG für die Bauausführung beim «JED Neubau» verantwortlich.
Als Totalunternehmung ist die Rhomberg Bau AG für die Bauausführung beim «JED Neubau» verantwortlich.

Facts & Figures «JED Neubau»

Auftraggeber:
Die Bauherrin, Swiss Prime Site, strebt bis 2040 Klimaneutralität an und setzt grossen Wert auf ein nachhaltiges Bau- und Planungskonzept

Architekturbüro:
Baumschleger Eberle Architekten Nutzungen: Ein Mix aus öffentliche Zonen und flexiblen Office- und Laborflächen

Termine:
Planungsbeginn 2018, Fertigstellung Mitte 2024

Energielabel:
SNBS-Gold (Standard Nachhaltiges Bauen Schweiz)

Spezielles:
Erhöhung des Anteils der eingesetzten Rückbaumaterialien beim Beton & CO2 Speicherung im Beton

Drei Fragen an Bernd Hofer
Managing Director und Head of Switzerland, Freo Group

Haben alle Baustoffe aus Ihrer Sicht die gleiche Berechtigung in der Zukunft, wenn wir von Nachhaltigkeit sprechen?
Ein wichtiger Ansatz unseres «Green Only Development» ist, dass wir uns in der Planungsphase bereits ausgiebig mit der Ausführung und der Auswahl der Materialien beschäftigen. Also weit vor der eigentlichen Verwendung von Materialien.

Und wir verwenden ganz sicher nur Materialien, die unserem Konzept entsprechen und die bereits sehr wenig Produktionsenergie aufweisen und nachhaltig sind. Wir bauen so wenig wie möglich von diesen Materialien ein, das heisst, wir verwenden immer das Cradle-to-Cradle Prinzip, wie z.B. beim «JED Neubau». Wir arbeiten mit dem Kreislaufwirtschaftssystem und dem Materialpass Madaster und lassen dies in das Gebäude mit einfliessen.

Das heisst, der «JED-Neubau» ist Vorzeigeobjekt hinsichtlich der Kreislaufwirtschaft?
In diesem Sinne auf jeden Fall, weil wir hier versuchen, den Beitrag zur Kreislaufwirtschaft zu maximieren, z.B. durch

  1. die Verwendung von Recyclingmaterialien, wie etwa beim Beton.
  2. dem Design für maximale Dekonstruierbarkeit (die lösbaren Verbindungen werden handwerklich hochqualitativ ausgeführt).
  3. die Auswahl von Materialien, die vollständig in den Kreislauf zurückgeführt werden können.

Welche Rolle spielt Beton beim «JED-Neubau»?
Das Gebäude funktioniert mit dem thermischem Massespeicher, welcher sich in erster Linie in den Decken und den Treppenhauskernen, aber auch in der Fassade im Ziegelbau, befindet. Mit unseren Partnern entwickeln wir uns beständig weiter und versuchen die Energie im Betrieb auf ein Minimum zu senken, indem z.B. ein Grossteil der Energie über PV-Anlagen erzeugt und über Wärmetauscher optimal genutzt wird.

Als Generalplaner übernimmt die Freo Group die kompletten Planungsleistungen beim «JED Neubau».
Als Generalplaner übernimmt die Freo Group die kompletten Planungsleistungen beim «JED Neubau».
Galerie: JED
Foto der Betonierungsarbeiten auf der Baustelle in Schlieren.
Foto der Betonierungsarbeiten auf der Baustelle in Schlieren.
Galerie: JED

Als thermischer Speicher schützt Beton vor Hitze und Kälte in Gebäuden

Die Betonkernaktivierung macht sich die thermische Speicherfähigkeit des Betons zunutze und stabilisiert die Innenraumtemperaturen im Sommer wie im Winter. Sie sorgt nicht nur für ein äusserst behagliches Raumklima, sondern reduziert gleichzeitig den Energiebedarf für Heizung und Kühlung des Gebäudes. Die thermischen Eigenschaften des Betons wirken sich beim sommerlichen Wärmeschutz positiv auf das Raumklima aus; thermische Energie kann zudem gezielt gespeichert werden.

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