Nachhaltigkeit
10 Min.

Der MAIN CAMPUS als Beispiel eines langfristig funktionalen Gebäudekonzepts

Nachhaltige Architektur zeichnet sich dadurch aus, dass sie über einen längeren Zeitraum hinweg funktional bleibt und ressourcenschonend gebaut wird. Ein Beispiel hierfür ist der MAIN CAMPUS in Allschwil.

Der MAIN CAMPUS als Beispiel eines langfristig funktionalen Gebäudekonzepts

Die Planung des Gebäudes erfolgte in enger Zusammenarbeit zwischen Architekten (Herzog & de Meuron) und Ingenieur (ZPF-Ingenieure), wobei Ästhetik und Konstruktion als Einheit betrachtet wurden. Besonderes Augenmerk wurde auf die Fassade gelegt, die möglichst viele Funktionen vereinen sollte, um den Materialeinsatz zu reduzieren. Das Ergebnis ist eine nachhaltige Lösung, die sowohl ökologischen als auch ökonomischen Anforderungen gerecht wird. Dank der flexiblen Nutzungsmöglichkeiten bleibt das Gebäude auch über Generationen hinweg funktional.

Alexander Franz, Architekt Herzog & de Meuron (Copyright © Gina Folly)
Alexander Franz, Architekt Herzog & de Meuron (Copyright © Gina Folly)
Fabio Pesavento, Bauingenieur ZPF Ingenieure
Fabio Pesavento, Bauingenieur ZPF Ingenieure

BETONSUISSE hat nachgefragt bei Herzog & de Meuron und ZPF Ingenieure:


NACHHALTIGKEIT IM ENTWURFSPROZESS

Was war die grösste Herausforderung beim Entwurf des Main Campus in Bezug auf Nachhaltigkeit?
Alexander Franz (AF): Die Erschaffung eines hochflexiblen und zukünftig umnutzbaren Gebäudes mit sehr viel attraktivem Aussenraum für den Nutzer. Zudem sind alle Mietflächen gleichwertig. Auf 50‘000m2 haben alle Mieter den direkten Aussenbezug, viel Licht und einen offenen Grundriss für die eigene Gestaltungsmöglichkeit. Die aussenliegende Tragstruktur steift das Gebäude aus und macht den Einsatz von Beton sehr effektiv. Der Betonanteil konnte somit drastisch reduziert werden.

In einem Interview im Hochparterre wurde gesagt, dass beim Main Campus klassisch geplant wurde (Projekthandbuch, Volumenstudien, arch. Konzepte). Was war der Grund dafür und was müsste heute anders sein?
AF: In dem erwähnten Interview ging es um den Vergleich zum benachbarten Gebäude HORTUS, das zur Zeit in der Entstehung ist. Hier haben wir von Beginn an Bauteile entwickelt, für die wir bauökologische und bauphysikalische Ansprüche neu definiert haben. Dieser Weg war sehr speziell und kann nicht verallgemeinert werden. Was sich allerdings seitdem geändert hat ist, dass ein Bewusstsein für Nachhaltigkeit von Tag eins der Planung in das Projekt einfliesst. Das kann selbstverständlich auch über den klassischen Weg einer Projektentwicklung geschehen.

NACHHALTIGKEIT UND PLANUNG

Welche Fragen müssen sich Architekten und Ingenieure heute in Bezug auf Kreislaufwirtschaft, Ressourcenschonung und Nachhaltigkeit stellen?
Fabio Pesavento (FP): Aktuell liegt der Fokus beim Tragwerk auf der Reduktion der Treibhausgasemissionen bei der Herstellung sowie auf der Wiederverwendbarkeit der Bauteile.
AF: Wir müssen den verfügbaren Materialfächer weiterhin offen halten und erweitern. Die üblichen Materialien für das Tragwerk wie Beton, Stahl oder Holz können alle nachhaltig sein, wenn man sie richtig einsetzt und wiederverwertbar macht. Ein grosses Augenmerk muss auf die Produktion dieser Materialien gelegt werden, um nicht nur den CO2 Ausstoss zu verringern, sondern auch den Anteil der grauen Energie zu senken.

Wie haben Sie Ressourcenschonung in die Planung und Konstruktion des Gebäudes integriert?
FP: Es wurde nur das gebaut, was absolut notwendig war. Durch die Kombination mehrerer Funktionen im selben Bauteil konnte das Material sehr effizient eingesetzt werden.
AF: Es wurde auf unnötige Verkleidungen verzichtet, um das Minimum an Materialien im Bauwerk einzusetzen.

Im Interview vom Hochparterre wurde erwähnt, dass bzgl. Konstruktion, Materialität und Typologie neue Diskussionen notwendig sind. Was ist damit gemeint?
AF: Die Umnutzbarkeit eines Gebäudes sollte von vornherein mitgedacht werden, damit dem Gebäude ein zweites Leben ermöglicht wird und es nicht irgendwann vor einem zwingenden Abriss (und Ersatzbau) steht. Die Konstruktion sollte in diesem Sinne dauerhaft und die zurückzubauenden Materialien kreislauffähig sein.

Haben Sie die Betonkonstruktion des Gebäudes optimiert, um eine nachhaltigere Lösung zu schaffen?
FP: Ja, es wurde nur das in Beton gebaut, was unbedingt nötig war. Nicht zu viel und nicht zu wenig.

Wie müssen Spannweiten, Stützenraster, Geschossplatten und Tragwerk geplant werden, damit diese für zukünftige Nutzungen flexibel bleiben?
AF: Für den SIP Main Campus haben wir ein optimales Verhältnis von Stützenraster zu Geschossplattenstärke gewählt. Hätten wir das Stützenraster vergrössert, wären die Geschossplatten dicker geworden und der CO2 Abdruck des verbauten Betons und auch die Kosten wären exponentiell gestiegen. Das gewählte Raster von 7x7m erlaubt einen sehr flexiblen Grundriss für Labore oder Büros. Auch Wohnungen in ferner Zukunft wären in diesem Raster denkbar.

Welche Rolle spielt Beton in diesem Projekt?
FP: Eine sehr zentrale Rolle. Das Gebäude hätte aufgrund der geforderten Lasten, Spannweiten und Schwingungsanforderungen aus keinem anderen Material gebaut werden können.

Welche Funktion übernimmt in diesem Projekt das Tragwerk?
FP: Neben der vertikalen und horizontalen Lastabtragung hat das Tragwerk auch akustische, thermische und brandschutztechnische Funktionen. Die externen Bauteile leisten auch einen Beitrag zum baulichen Sonnenschutz.


INTEGRATION INS STADTBILD UND FLEXIBIITÄT

Wie wurde das Gebäude gestaltet, damit es sich harmonisch in die umliegende Stadtlandschaft einfügt? Oder was macht es aus?

AF: Das Gebäude befindet sich inmitten eines Gewerbegebietes, vis-a-vis zu einem Recyclinghof, Kieswerk und Zementwerk. Das Gebäude strahlt eine gewisse Robustheit nach aussen aus und nach innen umrahmt es eine grosse Parkanlage.

Wie wurde die Gestaltung des Gebäudes darauf ausgelegt, dass es flexibel auf Veränderungen der zukünftigen Anforderungen reagieren kann?
FP: Die Flachdecken sind weitgehend frei von Einlagen und haben bei nachträglichen Öffnungen ein gutmütiges Verhalten.

Wie haben Sie die verschiedenen Anforderungen und Bedürfnisse der Nutzer des Gebäudes bei der Planung und Gestaltung berücksichtigt?
AF: Dies war sicherlich einer der grössten Herausforderungen in der Konzeption des Bauwerks. Das Gebäude wurde geplant und gebaut, ohne die Nutzer und deren Anforderungen zu kennen. Diese kamen erst später dazu. Das Gebäude musste daher in der Auslegung des Grundrisses, der Haustechnikerschliessung und nachträglichen Durchbrüchen etc. völlig flexibel sein.


ENERGIEEFFIZIENZ UND TECHNOLOGIE

Wie wurden umweltfreundliche Materialien und Technologien bei der Gestaltung des Gebäudes berücksichtigt?

FP: Die eingesetzten Materialien zeichnen sich durch ihre Langlebigkeit und effizienten Einsatz aus.

Wie wurde die Energieeffizienz des Gebäudes maximiert und welche Technologien wurden dabei eingesetzt?
FP: Das Gebäude ist durch seine Form und Dimension sehr kompakt, was seinen Heizwärmebedarf massgeblich verringert. Der bauliche Sonnenschutz durch die Balkone und Laubengänge reduziert einen allfälligen Kühlungsbedarf.
AF: Bei diesem Laborgebäude liegt der Fokus eher auf der Kühlung, als auf der Wärmeerzeugung. Heiz/Kühl-Paneele wurden an der Decke angebracht, so dass die Fassade völlig frei von haustechnischen Installationen sein konnte. Dazu wurden Simulationen mit der FH Luzern durchgeführt, die die Machbarkeit bestätigen konnten. Die Energie für Heizung und Kühlung kommt aus dem Baugrund über geothermischen Anlagen.


ALLGEMEINE FRAGEN

Wie wurde die Fassade des Gebäudes konzipiert und welche Funktionen vereint sie?

FP: Die Fassade ist gleichzeitig Teil der Erdbebenstabilisierung, des sommerlichen Wärmeschutzes sowie Fluchtweg im Brandfall.
AF: Wir wollten der Fassade eine Tiefe geben und haben die aussenliegenden Stützen nicht nur als tragende sondern auch als gestalterische Elemente genutzt, was letztendlich dem Main Campus seine Identität verleiht. Im Innenhof führen Laubengänge auf die Treppenhäuser zu. Diese dienen der Haupterschliessung und zugleich als Fluchtweg. Somit konnte auf weitere (innenliegende) Treppen verzichtet werden, um die Geschosse frei von Kernen zu halten. Entlang der äusseren Fassade gibt es keinen Laubengang, hier liegen die Stützen direkt and der Glasfassade. Dazwischen hängen Balkone. Durch einen kleinen Spalt in den Fassadenstützen kann man sich dennoch von Balkon zu Balkon bewegen, z.B. für den Fassadenunterhalt.

Wie trägt die gitterartige Struktur der Fassade zur Reduzierung der Tragelemente im Inneren bei und welche Vorteile ergeben sich daraus für die Nutzflächen?
FP: Die Aussteifungselemente sind im Bereich der Fassade positioniert, was die Flexibilität im Inneren erhöht.

Wie wurden die Schotten an den Gebäudeecken gestaltet, um den gewünschten architektonischen Ausdruck zu erzielen?
FP: Da eine Schotte pro Geschoss für Lastabtrag und Aussteifung ausreicht, konnten die Ecken für den gewünschten architektonischen Ausdruck mit geschossweise versetzten Schotten ausgebildet werden.
AF: Die Fassaden sind regelmässig durchgerastert. An den Gebäudeecken, wo beide Raster aufeinandertreffen, entsteht dann die Ausnahme. Das Raster löst sich im Wechsel der Geschosse auf. Es war sicherlich eine Herausforderung an den Bauingenieur, dies statisch umzusetzen.

Was für Decken wurden im Gebäude verwendet und wie dick sind sie?
FP: Die Regeldecken sind Stahlbeton-Flachdecken mit einer Stärke von 28 cm.

Impressionen des Main Campus - Bilder BETONSUISSE - entstanden im Rahmen der Open House Veranstaltung
Impressionen des Main Campus - Bilder BETONSUISSE - entstanden im Rahmen der Open House Veranstaltung
Galerie: Main Campus
Galerie: Main Campus

Der Main Campus ist ein Vorzeigeprojekt für spektrale Planung. Spektrale Planung bedeutet für uns Denken und Planen eines Bauwerks als Ganzes, Ästhetik und Konstruktion als Einheit, denn die gesamtheitliche Betrachtung fördert Effizienz und Qualität. Das Gebäude wurde in enger Zusammenarbeit zwischen dem Architekten und Ingenieur von der Fassade her konzipiert, um Effizienzen und Kosten des Gebäudes mit dem gewünschten architektonischen Ausdruck zu verbinden. Hierfür galt es eine Fassade zu entwickeln, die im Sinne der spektralen Planung möglichst viele Funktionen vereint. So liess sich dabei der Materialeinsatz reduzieren, was zusammen mit der hohen Lebensdauer auch aufgrund der flexiblen Nutzungsmöglichkeiten zu einer nachhaltigen Lösung führte.

Überblick

Das Gewerbegebiet entlang dem Hegenheimermattweg in Allschwil am westlichen Stadtrand von Basel hat sich in den letzten 20 Jahren zu einer globalen Drehscheibe für innovative Unternehmen aus den Bereichen Pharma, Medizin und Forschung entwickelt. Auf dem BaseLinkAreal, einem ehemaligen Kleingartengelände, das an den bestehenden Tech and Life Science Cluster grenzt, wurde im Sommer 2022 das Projekt Main Campus bezogen.

Der Main Campus bietet ca. 50 000 m2 Nutzfläche, angeordnet um einen grossen Innenhof, der über zwei zweigeschossige Durchgänge auf den Längsseiten des Komplexes erschlossen wird. In den Ecken des Hofs bilden vier identische Treppenhäuser die Gebäudezugänge, durch die jedes Geschoss bis zu acht Hauptmieter aufnehmen kann.

Das Gebäude besteht aus einem Untergeschoss für Lager und Technik, dem Erdgeschoss für Kleingewerbe, Gastronomie und öffentliche Nutzungen, vier Obergeschossen mit Büro- und Laborflächen und dem Dach mit Technik und begrünter, nicht begehbarer Fläche.

Der Neubau ist in zwei Etappen im veredelten Rohbau erstellt. Der trapezförmige Grundriss mit Aussenmassen von max. 165,5 x 109 m weist einen regelmässigen Raster von 7 x 7 m auf. Die Tragstruktur ist robust und dauerhaft auf eine Nutzungsdauer von 75 Jahren ausgelegt.

Architektur und Tragwerk

Das Gebäude wurde in enger Zusammenarbeit zwischen Architekten und Ingenieur von der Fassade her konzipiert. Diese wurde so entwickelt, dass sie im Sinne der spektralen Planung möglichst viele Funktionen vereint: Witterungs- und Sonnenschutz, Fluchtweg sowie horizontaler und vertikaler Lastabtrag. Dafür mussten die verschiedenen Rahmenbedingungen zusammengebracht werden. Die Fluchtwegnutzung gab die Breite der Balkone vor. Für die Dimension der Schotten waren zwei gegenläufige Effekte massgebend: Für die Tragsicherheit im Erdbebenfall mussten die Erdbebenkräfte auf das Minimum reduziert werden, daher sollten die Schotten so weich wie möglich sein. Für die Gebrauchstauglichkeit musste die Weichheit der Schotten auf die maximal zulässige Verformung limitiert werden. Und um zu erreichen, dass das Gebäude mit dem spektral geplanten Fassaden – Tragwerk kosteneffizenter ist als ein konventionelles Gebäude, musste auf Bauteile und damit Kosten eines konventionellen Tragwerkes verzichtet werden – Kerne und innenliegende Fassadenstützen entfielen. Die Fassade verbindet alle technischen Anforderungen und gibt dem Gebäude seinen architektonischen Ausdruck. Die tiefe, gitterartige Struktur aus Ortbeton nimmt die vertikalen Lasten auf, steift das Gebäude horizontal aus und reduziert so die Tragelemente im Inneren, wodurch die Nutzflächen grösser und flexibel einteilbar sind. Durch die auskragende Fassade entstehen umlaufende Balkone, die als Fluchtweg, Zugang und Sonnenschutz dienen. Grundriss, Tragraster und Raumhöhen sind für Büro- und Labornutzungen optimiert.

Kostenrelevanz von Spannweiten

Der Main Campus wurde über die Fassade hinaus weiter optimiert, denn ein optimal als Büro- und Laborgebäude nutzbarer Neubau muss möglichst flexibel sein. Schlanke Geschossdecken und die Möglichkeit, Stützen mit geringem Aufwand abzufangen und so einen zweigeschossigen Raum zu erstellen, tragen dazu bei. Folglich wurde auch für den Stützenraster das Kostenoptimum gesucht, zwischen einem engen Raster mit vielen Stützen bei geringer Deckenstärke und einem grossen Raster mit wenigen Stützen und grosser Decken stärke. Hierfür wurde der Zusammenhang von Kosten, Spannweite, Deckenstärke und Stützenanzahl untersucht, mit dem Resultat, dass ein Raster von 7 x 7 m optimal und kosteneffizient für den Main Campus ist.

Erdbebenaussteifung

Um mit einer möglichst ökonomisch effizienten Tragstruktur eine Erdbebensicherheit gemäss der SIA-Norm zu gewährleisten, wurden zwei gegensätzliche Erdbebenkonzepte hinsichtlich ihrer Kosteneffizienz verglichen. Starre Tragstrukturen haben ein geringes Verformungsvermögen und ziehen Lasten an, die starre Variante sah Kerne zur Aussteifung vor. Weiche Strukturen haben ein hohes Verformungs- und Energie - dissipationsvermögen, die weiche, bewegliche Variante sah Tragschotten vor. Die Kosten von verschiedenen Typen von Erdbebenwänden – ob in einem Kern, als Wandscheiben oder als Schotten erstellt – sind praktisch identisch. Beim GRID werden für die weiche Variante (Schotten) über 40% weniger an Erdbebenwand benötigt als bei der starren Variante (Kerne), was aus einer Reduktion der Erdbebenkräfte um den Faktor 4 resultiert. Die Kosten für die Aussteifung können so bei gleicher Gebäudegrösse um rund 40 % reduziert werden. Der Vergleich der verschiedenen Erdbebenkonzepte und Mischformen ergab, als kosten effizienteste Variante die strukturelle Fassade mit zusätzlich aktivierten, einzelnen Scheiben der aus Nutzersicht erforderlichen Liftschächte.

Schotten

Die im kalten Bereich angeordneten Fassadenschotten dienen nicht nur der horizontalen Aussteifung, sondern auch als Auflager für den vertikalen Lastabtrag der im Warmen liegenden Decken, und das ohne teure thermische Anschlüsse. Die Schotten an der Aussenfassade sind zweiteilig ausgebildet und als Vierendeel-Stützen bemessen. Der statisch wirksame Querschnitt der beiden Stützen des Vierendeel-Systems beträgt 40 x 40 cm und 60 x 40 cm. Zwischen den beiden Stützen lagern die Balkonplatten, welche die schwache Achse der Schotten stabilisieren. Auch bei den Schotten im Innenhof werden die Balkonplatten als Knickhalterungen verwendet. Im EG erfahren die Schotten eine hohe statische Beanspruchung, die ab OG1 schnell abnimmt, weshalb sich die statisch wirksame Breite von 1,40 m im EG auf 1,20 m in den Ober - geschossen reduziert. In den Bereichen der beiden zweigeschossigen Durchgänge auf den Längsseiten ist die Decke über EG unterbrochen und die Schotten sind in einer Sonderform in doppelter Höhe ausgebildet. Um die Einheitlichkeit der Fassaden zu gewährleisten, fahren die Balkonplatten durch, wodurch die zweigeschossigen Schotten gegen Knicken und Probleme zweiter Ordnung gesichert sind. Die leichte Neigung der Vorderseite der Schotten und der Versatz um 28 cm betonen die Horizontalen und den Massstab des Gebäudes. Auch an den Gebäude - ecken zeigt sich das enge Zusammenspiel von Trag werk und Architektur: Da eine Schotte pro Geschoss für Lastabtrag und Aussteifung ausreicht, konnten die Ecken für den gewünschten architektonischen Ausdruck mit geschossweisen versetzten Schotten ausgebildet werden.

Decken, Balkone, Innenstützen

Die Geschossdecken sind als Flachdecken in Ortbeton erstellt. Die Decke über OG4 weist aufgrund der höheren Auflast eine Stärke von 30 cm auf, alle anderen Decken sind mit 28 cm Stärke ausgeführt. Die Decken sind auf Fassadenkonsolen aufgelegt, die thermisch mit Leichtbeton mit einer Stärke von mind. 10 cm getrennt sind. Die Balkonplatten laufen als einseitig eingespannte Träger von Schotte zu Schotte rings um die Aussen- und die Innenfassade und werden auch als Fluchtweg (innen) resp. für den Gebäudeunterhalt (aussen) genutzt. Sie sind thermisch von den Geschoss - decken getrennt, weisen eine maximale Stärke von 38 cm auf und sind mit Gefälle nach aussen ausgebildet, die Entwässerung erfolgt «über die Schulter» ohne Rinne. Schotten und Balkonplatten sind an einer Seite monolithisch verbunden, auf der anderen Seite liegen die Platten gelenkig auf. Im gelenkigen Auflager sind die Balkonplatten einseitig sauber mit Plastik getrennt, da das Schwindmass der Dehnung infolge Temperatureinwirkung entspricht und so ca. ±1,5 mm pro Feld aufgenommen werden kann. Die Platte ist teilweise auf der Konsole gelagert und durch Schub dorne im Bereich der Schotte in Querrichtung gehalten. Im fixen Auflager sind die Balkonplatten mittels Schraubarmierung eingespannt. Sowohl die eingespannte Seite als auch die Schubdorne gewährleisten die Stabilität der Schotten. Die Innenstützen im Raster von 7 x 7 m antworten in Material und Querschnittstyp auf die architektonischen und statischen Randbedingungen, entsprechen den minimal nötigen Abmessungen und sind als vorfabrizierte Schleuderbetonstützen ausgeführt.

Treppen

Die runden Treppenhäuser in den Ecken des Innenhofs liegen im ungedämmten, kalten Bereich und sind sowohl thermisch als auch statisch vom Gebäude getrennt. Ursprünglich als Holz Leichtbau geplant, der die Hauptfunktionen der Treppenhauswände (Dämmung, Brandschutz) elegant löst und das Betongitter der Fassade durchlaufen lässt, waren die Treppenhäuser für den Tragwerksentwurf nicht relevant. Aufgrund von Brandschutzauflagen und aus Kostengründen wurden die siloartigen Wände in Beton ausgeführt. Sie sind oberirdisch vom Haus getrennt, damit das Gebäude sein weiches Verhalten beibehält. Die steifen Silo-Wände wurden genutzt, um die Podest - brücke zwischen den Schotten und den Wänden zu tragen, wodurch sich auf Stützen in den Treppenhäusern verzichten liess. Die Treppenläufe sind in den runden Treppenhauswänden eingespannt und wirken als Kragträger. Die Podestbrücken sind auf Konsolen in den Aussenschotten und auf den Silo-Wänden gelagert und zeigen eine variable Stärke von 35 cm am Rand bis 60 cm in der Mitte. Da trotz dieser grossen Stärke Verformungen jenseits der zulässigen zu erwarten wären, sind sie mit einer konstruktiven Überhöhung von ca. 30 mm ausgebildet und gelten – wie auch die Treppenhausdächer – als Tabuzonen. Die grosse Flexibilität dieses Tragwerkssystems wird auch bei den Treppenhäusern sichtbar: Da die Fassade die statischen Hauptfunktionen übernimmt, konnte das für die Treppenhauswände vorgesehene Material einfach verändert werden.

Mehr Wissen rund um Beton:

Nachhaltigkeit

Schweizer Nachhaltigkeit

Die Schweiz setzt beim Bauen mit Recyclingbeton Massstäbe. Sie hat systematische Voraussetzungen dafür geschaffen: Dank einer hohen Baukultur und noch höherer Baudichte, einer Baugesetzgebung, die Recycling fördert, sowie dank der kontrollierten und zertifizierten Verwendung von Kreislaufprozessen im industriellen Massstab und einer zunehmenden Nachfrage von Bauherren nach gesunden und ökologisch wertvollen Materialien, die keine lange Reise hinter sich haben.

Mehr
Nachhaltigkeit, Recyclingbeton

Verantwortungsbewusster Umgang mit Ressourcen und Umwelt

Eine Erfolgsgeschichte für die Solothurner Kajakfahrer:
Das Projekt des Bootshauses in Solothurn beschreibt die erfolgreiche Realisierung eines nachhaltigen Bauprojekts für die Solothurner Kajakfahrer. Das im 2023 vollendete Gebäude, bestehend aus Beton und Holz, fügt sich harmonisch in die malerische Landschaft an der Aare ein.

Mehr