Ersatzneubau Halle 1 für die Olma Messen, St. Gallen
Die Olma Messen führen pro Jahr über 100 Veranstaltungen und rund 10 Messen durch. Die Bewältigung dieser grossen Zahl von unterschiedlichen Anlässen erfordert vielfältige und zeitlich parallele Nutzungsmöglichkeiten der Hallen und deren Infrastruktur. Mit den heutigen Anforderungen an eine hohe und flexible Nutzung sowie an eine zeitgemässe Infrastruktur konnte die ursprüngliche Halle 1 aus den 1980ern nicht mehr erfüllen. Der Ersatzneubau gibt mit neuen Möglichkeiten für Messen und grossen Kultur- und Sportveranstaltungen den Auftakt in ein neues Veranstaltungszeitalter. Damit verschafft sie dem ganzen Gelände mehr Spielraum während den Spitzenzeiten.
Überdeckung der Autobahn ermöglicht Landgewinnung
Da eine neue Halle 1 in der gewünschten Grössenordnung mit den bestehenden Platzverhältnissen auf dem Areal nicht umsetzbar war, wurde eine Überdeckung des Ostportals des Rosenbergtunnels im Rahmen der Instandsetzung der A1 Stadtautobahn geplant. Erst die damit verbundene «Landgewinnung» machte das Projekt einer grossen, stützenfreien Halle überhaupt möglich. Die Umsetzung auf wenigen vorgegebenen Auflagepunkten auf einer aufwendigen und komplexen Tiefbaukonstruktion, direkt über der Autobahn, ist eine der grossen Herausforderung des Baus.
Städtebauliche Einordung und Architektur
Mit dem Neubau der Halle 1 und dem angrenzenden Messeplatz öffnet sich das introvertierte Messegelände des Olma-Areals zur Stadt und schafft einen öffentlichen Freiraum. Die Vernetzung im Inneren bringt Altes und Neues miteinander in einen Dialog. Robuste, vielfältig nutzbare Aussenräume werden das Erscheinungsbild der Olma neu prägen. Das Volumen der neuen Halle 1 wurde am Ende der Hauptachse des Olma-Geländes gesetzt. Die architektonische Ausformulierung des Baukörpers beantwortet dabei die Fragen nach seiner Rolle als öffentliches Gebäude, als Abschluss und Auftakt zur Anlage und für die Fernwirkung zur Autobahn. Der vorliegende Olma-Platz wird bei Veranstaltungen als öffentlicher Freiraum für das Quartier verstanden. Architektonisch wird die neue Halle 1 als ein Gebäude begriffen: Der Baukörper ist horizontal in einen Sockel mit zyklopischen Pfeilern, einem tragenden Betonring und eine aufgesetzte Laterne für das Hallendach gegliedert. Die Dreiteilung integriert sich in die Höhenentwicklung des Areals mit der Aufnahme der Trauflinien und gibt ihm gleichzeitig zur Autobahn eine dynamisierte, liegende Erscheinung.
Berechnung der CO2-Bilanz als Massstab
«Der Klimaschutz ist ein wichtiges Thema, besonders bei Generationenprojekten mit ihren spezifischen Herausforderungen», sagt Marcel Santer. «Es geht darum, einen Massstab zu finden, um spezielle, aussergewöhnliche Bauten einordnen zu können.» Mit einer CO2-Bilanz des Gebäudes wurde ein resultierender Kennwert von 8,4 kg CO2/m2 EBF errechnet. Dieser Wert lässt sich wie folgt einordnen:
- Der Zielwert des SIA-Energieeffizienzpfad 2040 für alle Gebäude liegt bei 9 kg CO2/m2 EBF. Dieser Wert wird beim Ersatzneubau Halle 1 der Olma um 0,6 kg/m2 EBF unterschritten.
- Aktuelle Pilotprojekte wie das Schulhaus Walkeweg Basel und die Kantonsschule Wattwil SG zielen auf einen Wert von 7 kg CO2/m2 EBF. Im Vergleich dazu erreicht der Neubau der Olma-Halle 1 – trotz ungemein grösserer Sachzwänge – einen sehr guten Wert.
- Die CO2-Bilanz der neuen Halle 1 wurde mit einem anderen Wettbewerbsprojekt mit einem Tragwerk aus mehrheitlich Holz verglichen. Der Unterschied der beiden CO2-Bilanzen ist bei weniger als 1 Prozent.
Nachhaltige Bauweise
«Sonderbauten wie die neue Halle 1 der Olma benötigen eine differenzierte Betrachtung bezüglich Nachhaltigkeit. Um die Betrachtung führen zu können, muss zwischen der eigentlichen Halle als Hochbau ab EG-Niveau und der Autobahnüberdeckung als Tiefbau bis EG-Niveau klar unterschieden werden», erklärt Marcel Santer von Ilg Santer Architekten. «Als Hochbau kann die Halle 1 mit einer CO2- und graue Energieberechnung mit anderen Hochbauten und Klimazielen verglichen werden. Allerdings fehlen im Gegensatz zum Hochbau für grosse Infrastrukturprojekte Vergleiche, Beurteilungen und Erfahrungen. Das hat auch unser Spezialist für Ökologie bestätigt, der die Nachhaltigkeitsstudie für die Halle 1 der Olma durchgeführt hat.»
Laut Architekt Marcel Santer ist bei grossen Infrastrukturbauten zudem die Frage nach der Systemgrenze entscheidend. Weil hier auch soziokulturelle Einflüsse gelten wie zum Beispiel bei der Halle 1 die Aufwertung des Quartiers durch die Entstehung des neuen, Olma-Platzes, der eine Verbindung des Olma-Areals zum öffentlichen Raum herstellt oder die Landgewinnung durch die Überdeckung von versiegeltem Infrastrukturland anstelle des Verlusts von Kulturland oder Baubestand für den Neubau.
Gute CO2-Bilanz durch gezielten Materialeinsatz und Leichtbauweise
Bei der Halle 1 werden die Materialien Beton und Stahl nach ihren Stärken materialgerecht eingesetzt. Dadurch wird der Verbrauch von «schlechteren» Materialien derart minimiert, dass sich das letztendlich auf die CO2-Bilanz positiv auswirkt. Bei der Dachkonstruktion etwa wurde als Stahlleichtbau ein Mero-Raumfachwerk mit einem Flächengewicht von 85 kg Stahl/m2 eingesetzt. Dieses eignet sich gerade für eine derart aussergewöhnliche Bauaufgabe, mit enorm grossen Spannweiten und Platzverhältnisse der 60 x 150 m grossen Halle. «Durch den geringeren Materialverbrauch konnte die Kombination mit Beton und Stahl in Bezug auf CO2-Ausstoss ihre Position gegenüber einer Konstruktion aus Holz, das als besseres Material gilt, verbessern», so Marcel Santer.
Photovoltaik statt extensive Dachbegrünung
Auf die gesetzlich vorgeschriebene extensive Dachbegrünung wurde zugunsten einer besseren CO2-Bilanz verzichtet. Die zusätzliche Nutzlast hätte das Flächengewicht der Stahlkonstruktion um 270 t Stahl erhöht und 760 t CO2 mehr produziert, was einem Vielfachen der CO2-Speicherkapazität der extensiven Bepflanzung entsprochen hätte. In einer Gesamtbetrachtung und in Zusammenarbeit mit den Behörden wurde die Einsparung zugunsten einer für die Biodiversität wertvollere Intensivbegrünung einerseits und einer vollflächigen Photovoltaik-Anlage andererseits auf zirka zwei Drittel verringert. Die PV-Anlage produziert auf 5'000 m2 Fläche jährlich zirka 500'000 kWh Strom. Zudem ist der Betonhohlkasten als umlaufendes, offenes Retentionsbecken ausgebildet. Das dort aufgestaute Regenwasser verdunstet und leistet gleich wie eine extensive Begrünung einen Beitrag zur Hitzeminderung.
Quellen: Genossenschaft Olma Messen St.Gallen, Ilg Santer Architekten, IMAGE and CONTENT GmbH
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