Nachhaltigkeit, Interview
4 Min.

Smart, effizient, nachhaltig – Wie die Sisag ihr Gebäude zum Vorbild macht

Ein Blick zurück zeigt: Der «SisCampus» in Schattdorf verbindet ein durchdachtes Energiekonzept mit einer reduzierten technischen Ausstattung - ohne Kompromisse. Bauherr und Architekt setzten auf passive Prinzipien, thermische Masse und gezielte Automation. Das Gebäude passt sich den klimatischen Bedingungen an, ohne überflüssige Technik.

Smart, effizient, nachhaltig – Wie die Sisag ihr Gebäude zum Vorbild macht

Ein nachhaltiger Firmensitz ohne technische Redundanzen

Nach fünf Jahren Betrieb zieht Architekt Daniel Dittli eine positive Bilanz. Die Speicherwirkung der Betonbauteile funktioniert zuverlässig, die Fassade reagiert wie geplant. Trotzdem bleibt der Betrieb ein Lernprozess. Die Feinabstimmung der Steuerung auf die tatsächlichen Nutzungsbedürfnisse erfolgte in den ersten drei Betriebsjahren. Für Dittli ist das keine Schwäche, sondern ein normaler Prozess: «Ein intelligentes System ist nur so gut wie seine Kalibrierung.»

Ein innovativer Firmensitz

Die 1985 in Altdorf gegründete Sisag AG entwickelt hochpräzise Steuerungssysteme für den Personen- und Strassenverkehr. Seit 1996 befindet sich der Hauptsitz im Industriegebiet Rynächt in Schattdorf (UR). Mit dem stetigen Wachstum entstanden dezentrale Leistungszentren, die 2020 im neuen Erweiterungsbau am Hauptsitz zusammengeführt werden.

Statt in die Breite zu wachsen, entschied sich die Bauherrschaft für eine kompakte Bauweise mit neun Geschossen. Das spart Fläche und senkt die Erschliessungskosten. Gleichzeitig wurde das Gebäude bewusst einfach gehalten - ohne überladene Haustechnik, dafür mit klug eingesetzten Passivprinzipien.

Architektur für Synergien und Identität

Die Erweiterung sollte nicht nur Raum für Wachstum schaffen, sondern auch die Zusammenarbeit im Engineering stärken. Zudem galt es, das internationale Profil der Sisag AG sichtbar zu machen, ohne die lokale Verankerung aus den Augen zu verlieren. Das Ergebnis: Schlichte, funktionale Räume mit einem angenehmen Raumklima. Hohe Energieeffizienz sowie niedrige Investitions- und Betriebskosten standen dabei im Vordergrund. Dank der gezielten Abstimmung der Haustechnik auf die Gebäudestruktur und die lokalen Ressourcen konnten diese Ziele erreicht werden - und das bei tiefen Baukosten.

Schnitt SisCampus mit Ansicht Bestand
Schnitt SisCampus mit Ansicht Bestand
Fliessender Übergang vom Neubau hin zum Bestand. Fotografie © Damaris Betancourt
Fliessender Übergang vom Neubau hin zum Bestand. Fotografie © Damaris Betancourt

Sonnenenergie gezielt nutzen

Die Entscheidung für eine elektrochrome Glasfassade* basiert auf den klimatischen Bedingungen im Reusstal. Föhnlagen sorgen zwar nicht für extreme Sonneneinstrahlung, die hohe relative Sonnenscheindauer erforderte aber eine Lösung, die auf natürliche Belichtung und solare Gewinne setzt. Anstelle von aussenliegenden Jalousien regelt die Verglasung den Wärmeeintrag dynamisch. Das reduziert den Kunstlichtbedarf und integriert den sommerlichen Wärmeschutz direkt in die Fassade.

* Darunter versteht man Verglasungen, die ihre Lichtdurchlässigkeit selbst regulieren. Wie viel Licht durchgelassen wird ist von der Erwärmung der Verglasung oder der vorliegenden elektrischen Spannung abhängig.

Fassadenausschnitt mit Betonbrüstungen. Fotografie: © Damaris Betancourt
Fassadenausschnitt mit Betonbrüstungen. Fotografie: © Damaris Betancourt

Beton als Speichermasse

Die thermische Trägheit des Gebäudes wurde gezielt genutzt. Die Betondecken speichern Wärme und geben sie zeitversetzt wieder ab. Gesteuert wird dies über ein Thermoaktives Bauteilsystem (TABS), das mit Grundwasser betrieben wird. Obwohl TABS die Anforderungen an die Systemtrennung nicht vollständig erfüllt, überzeugt es durch seine hohe Effizienz in der Heiz- und Kühlfunktion und ist daher im Minergie-ECO-Vorgabenkatalog zugelassen.

Die Auslegung der TABS erfolgte mit 26/23°C im Heizfall und 18/22°C im Kühlfall. Diese Werte wurden im Nachhinein deutlich reduziert, um eine Überdimensionierung zu vermeiden. Die Betonkerntemperatur bleibt sowohl im Sommer als auch im Winter nahe der Raumlufttemperatur, was zu einer besonders effizienten Nutzung des Systems führt.

Ergänzend zur Planung wurde berechnet, dass aufgrund der Globalstrahlungsgewinne an sehr kalten Tagen sowie der Gebäudeträgheit, insbesondere durch die Aktivierung mit TABS, die Wärmepumpe (Grundwasser) deutlich kleiner dimensioniert werden konnte als nach den üblichen Berechnungsmethoden. Reto Küng, Experte für Bauteilaktivierung, betont, dass die Zusammenarbeit mit dem Architekten, Haustechnikplanern und TABS-Lieferanten für den Erfolg entscheidend war.

Neben den Einlagen sorgt eine sitzhohe Betonbrüstung in den Büroräumen für zusätzliche Speichermasse und trägt zu einer gleichmässigen Temperaturverteilung bei.

Fazit

Verdichtete Bauweise, reduzierte Technik, intelligentes Energiekonzept: Der «SisCampus» in Schattdorf zeigt, wie mit kluger Planung und gezieltem Materialeinsatz ein nachhaltiges Firmengebäude realisiert werden kann. «Ohne unnötigen Schnickschnack», sagt Daniel Dittli.

Bau 1996 und Erweiterung 2020. © Damaris Betancourt
Bau 1996 und Erweiterung 2020. © Damaris Betancourt

Wir wollten es genauer wissen und daher haben wir mit Daniel Dittli gesprochen:

Welche Rolle spielt Beton als Speichermasse im Gesamtkonzept des Gebäudes?
SisCampus besteht aus dem Bau 1996 und der Erweiterung 2020. Um die Gesamtanlage wie aus einem Guss erscheinen zu lassen, ist die Fassade wie im Bau 1996 als vorgehängte Glasfassade ausgeführt. Der Wärmebedarf eines Gebäudes mit einer vollständig verglasten Fassade ist bei unserer Gebäudegeometrie um rund 30% höher als bei einer Fassade mit einem Fensteranteil von üblichen 35%. Der Kältebedarf ist abhängig vom Beschattungssystem und vom Wärmespeichervermögen der Baukonstruktion. Ein wichtiges Entwurfsziel war es deshalb, den Mehrbedarf an Wärme und Kälte mittels geeigneter Lösungen zu kompensieren.

Der Standort in Schattdorf liegt in einer Talverengung und ist deshalb Föhnwind und starken Sturmböen ausgesetzt. Aussenliegende Beschattungssysteme - ob beweglich oder starr - sind nicht geeignet. Die solaren Einträge der Fassade werden deshalb mittels elektrochromen Gläsern reguliert, die den Gesamtenergiedurchlass zwischen 3% und 36% beschränken. Die Betonkonstruktion dient dabei als grosser Energiespeicher auch der solaren Einträge, die mit dem TAB-System bewirtschaftet werden.

Daniel Dittli, Architekt und Gesamtleiter des SisCampus
Daniel Dittli, Architekt und Gesamtleiter des SisCampus

Nach fünf Jahren Betrieb: Hat sich das Energiekonzept mit Beton und thermischer Aktivierung wirtschaftlich gelohnt?
Wir haben ein Monitoring installiert (Temperatur und Energiemessungen). Die gemessenen Innentemperaturen bewegen sich im vereinbarten Bereich zwischen 22°-25° und weisen Schwankungen von wenigen Zehntelgraden auf. Die minimale Temperaturdifferenz zwischen der Oberflächentemperatur und der Lufttemperatur wird als behaglich empfunden.

Welche Erkenntnisse aus diesem Projekt könnten Sie anderen Bauherren und Architekten weitergeben?
Die Trägheit des Systems bewirkt, das Temperaturschwankungen im Aussenbereich, kaum Auswirkungen auf das Innenklima haben. Beim TAB-System erfolgt die Energieabgabe selbstregulierend. Das heisst, der Betonspeicher nimmt so viel Energie im Raum auf oder gibt sie dem Raum zurück, bis die Temperaturdifferenz zwischen Speichermasse und Raum ausgeglichen ist. Diese Abgabe erfolgt selbstregulierend. Das heisst auch, dass auf übliche Stellglieder und Steuer­elemente verzichtet werden kann, und lediglich die Rücklauftemperatur auf einem Niveau von ca. 21-25°C gehalten werden muss.

Bietet die thermische Bauteilaktivierung mit steigenden Temperaturen durch den Klimawandel zusätzliche Vorteile?
Die Raumtem­pe­raturen können auf einfache Weise auch bei längeren Hitzeperioden in einem behaglichen Rahmen gehalten werden. Voraussetzung dafür ist das Vermeiden der solaren Einträge.

Bürogeschoss Bauteilaktivierung / Decke mit Schallabsorptionselementen. Fotografie © Damaris Betancourt
Bürogeschoss Bauteilaktivierung / Decke mit Schallabsorptionselementen. Fotografie © Damaris Betancourt
Kunst am Bau von Simon Ledergerber
Kunst am Bau von Simon Ledergerber
Hotelzimmer
Hotelzimmer

Zahlen und Fakten

Erfolgsfaktoren

  • Hohe Qualität der Büro- und Betriebsräume
  • Optimales Raumklima und hohe Energieeffizienz
  • Minimierte Bau- und Betriebskosten

Kennwerte

  • Kosten pro m³ GV (SIA 416 / BKP 2): CHF 630.-
  • Kosten pro m² NF (SIA 416 / BKP 2): CHF 2'100.-

Termine

  • Baustart: Januar 2018
  • Bezug: März 2020

Kennwerte

  • Kosten m3 GV SIA416 / BKP 2 CHF 630.-
  • Kosten m2 NF SIA416 / BKP 2 CHF 2'100.-

Termine

  • Baustart Januar 2018 Bezug März 2020

Projektbeteiligte

zugezogene Fachplaner

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