Sie sind Lokführer und Test-Lokführer. Ein Wunschberuf? Oder wie kamen Sie dazu?
Es war für mich schon immer ein Bubentraum, einmal Lokführer bei der SBB zu werden. Deswegen habe ich alles unternommen, um die Bedingungen zu erfüllen, die es dazumal brauchte, um Lokführer zu werden.
Was umfasst Ihr Job alles?
Da ich auch Prüfungsexperte BAV bin, führe ich Prüfungen mit angehenden Lokführern durch, oder nehme den Lokführern, welche alle fünf Jahre eine periodische Prüfung ablegen müssen, die Prüfung ab. Ebenso fahre ich selber mit verschiedenen Zügen auf diversen Strecken. Zudem führe ich Testfahrten mit neuen Lokomotiven oder auf neuen Eisenbahnstrecken durch.
Sie fahren sicher auch mal rasant über die Geleise. Wie schnell waren Sie schon unterwegs?
Die Vorschriften verlangen, dass für eine neue Strecke, wie eben zum Beispiel der Gotthard Basistunnel, mit Testfahrten ein Sicherheitsnachweis erbracht werden muss. Dabei muss die getestete Geschwindigkeit 10% höher sein als die Geschwindigkeit, welche dann mit den kommerziellen Zügen gefahren wird. Der Gotthard Basistunnel ist für eine Geschwindigkeit von 250 km/h zugelassen. Wir fuhren mit den Testfahrten 280 km/h.
Gibt es ein Gefühl, das den Moment beschreiben kann, wann man das erste Mal in dieses Jahrhundertbauwerk eintaucht?
Ja, das gibt es wirklich. Man ist irgendwie sprachlos und auf eine Art ehrfürchtig.
Gibt es einen speziellen Sound, wenn man in das Rohr reinschiesst?
Den gibt es, ja. Vor allem spezielle Windgeräusche, wenn man mit 200 km/h in den Tunneltubus einfährt. Denn der Zug schiebt eine gewaltige Luftmenge vor sich her.
Denkt man darüber nach, wie viel Gesteinsmasse sich da drin über einen aufbaut?
Eigentlich nicht. Man nimmt das gelassen zur Kenntnis, denn man vertraut der Technik. Den alten Gotthard-Tunnel gibt es ja schon seit über 140 Jahren und er ist immer noch in Betrieb.
Was ist für Sie der Hauptnutzen des neuen Tunnels?
Die Energie-Ersparnis! Klar, spart man viel Zeit. Aber viel wichtiger erscheint mir, dass man nun von den Nordseehäfen bis nach Genua eine Flachbahn nutzen kann, die nur wenig Steigung überwinden muss. Die alte Strecke ist nicht nur 30 km länger, sie ist auch 600m höher. Und das schenkt ein. Früher musste man drei oder auch mal vier Loks einsetzen, um einen Güterzug bis nach Göschenen hinaufzuziehen. Heute braucht man für eine Komposition nur eine Lok. Das spart gewaltig an Energie. So, dass man die Energie für die Produktion des Baumaterials Beton damit kompensieren kann.
Schaut man sich Videos aus der Führerstandperspektive an, dann hat das etwas Hypnotisches. Die Betonröhre, die Lichter an den Seitenwänden, die Geschwindigkeit. Wird man sogar etwas süchtig nach Tunneldurchfahrten?
Zu Beginn, als der Tunnel eröffnet wurde, war jede Durchfahrt etwas Spezielles. Mit der Zeit normalisiert sich das Ganze und der Tunnel wird wie eine andere Strecke befahren.
Haben Sie einen Co-Piloten?
Nein, einen zweiten Lokführer gibt es schon lange nicht mehr, denn die Sicherheitstechnik übernimmt den Part des zweiten Lokführers.
Braucht es für den Basistunnel eine Art Prüfung? Oder kann auch ein Lokführer der DB oder von den FS durch den Gotthard fahren?
Ein Lokführer, der berechtigt ist, durch den Gotthard Tunnel zu fahren, muss eine spezielle Ausbildung absolvieren, welche alle möglichen Szenarien beinhaltet, die eintreffen können. Mittlerweile können auch italienische oder deutsche Lokführer den Basistunnel befahren. Sie müssen natürlich ebenfalls die Ausbildung durchlaufen haben. Auch die Loks werden nicht mehr an den Grenzen gewechselt. Künftig werden immer mehr Güterzüge mit derselben Lok und Crew grenzüberschreitend unterwegs sein. Beim Personenverkehr wird aber nach wie vor gewechselt.
Welche sind für Sie andere einzigartige Bahnstrecken?
In der Schweiz gibt es sehr viele einzigartige Strecken. Dazu gehören für mich die Strecken am Jura Südfuss, die Gotthard- oder die Lötschberg-Bergstrecke.
Tauschen Sie sich mit anderen Lokführern aus? Mit Shinkansen- oder TGV- Lokführern?
Ja, wir pflegen einen regen Austausch vor allem mit europäischen Eisenbahngesellschaften, mit welchen wir zusammenarbeiten. Natürlich nicht nur auf der Lokführer-Ebene, sondern in allen Bereichen.
Haben Sie Platzangst?
Nein, zum Glück nicht! Wobei, selbst wenn: Man ist ja mit ziemlich Geschwindigkeit in Bewegung, was Platzangst vermutlich aufhebt. Zudem sind die Führerstände gross genug. Und auch die Evakuierungstunnels sind grosszügig bemessen, sodass auch Passagiere mit Platzangst bedenkenlos eine Evakuation bestehen können.
Ihre Lieblingslok?
Da gibt es mehrere: Zum Beispiel die Vectron BR193, der ICE BR 412 oder der RABe 501, auch als Giruno, zu Deutsch Bussard, bekannt.
Zum Beruf Lokführer: Gibt es genug Nachwuchs, darunter auch Frauen?
Wegen den unregelmässigen Arbeitszeiten sowie der Einsätze am Wochenende ist der Lokführerberuf nicht mehr so gefragt wie früher. Aber es lassen sich immer noch viele Frauen und Männer für diesen faszinierenden Beruf gewinnen.
Was muss man mitbringen, um den Bubentraum Lokführer wahr werden zu lassen?
Eine abgeschlossene Berufslehre oder die Matura.
Es gibt die guten, alten Holzschwellen und solche aus Beton. Merkt man einen Unterschied beim Fahren?
Die Geräuschkulisse ist leicht unterschiedlich. Holzschwellen hatten etwas mehr Bass, wenn man so will. Heutzutage werden aber meines Wissens nur noch Betonschwellen eingesetzt. Die Holzschwellen kamen mitunter auch in Verruf, weil sie mit Teeröl imprägniert sind und darum als umweltbelastend gelten.