Im Luzerner Wohnquartier Himmelrich, das mitten in der Stadt liegt, schufen QueenKong 2015 ihr erstes grossflächiges Kunstwerk in der Schweiz. Ein ganzes Haus wurde zur Leinwand. Farben, Muster, Geschichten – mitten in einem Quartier, das bald abgerissen werden sollte. Das Wandbild, das unter dem Motto «Time has come» entstand, blieb nur für kurze Zeit – es war temporär. Und doch veränderte es alles. Bevor es «entsorgt» wurde, durften die Menschen im Quartier noch einmal Hand anlegen. Mit Hammer und Meissel holten sie sich ein Stück davon nach Hause.
Ein Herz. Ein Streifen. Ein Farbklecks aus Beton. Erinnerungen zum Mitnehmen.
«Dieses Bild war unser Startschuss», sagt Vero. «Nach dem Himmelreich wussten wir: Das ist unsere Welt. Wir machen uns selbstständig und widmen uns voll und ganz dieser Art von Kunst. Das ist unser Weg.» Der mediale Impact war riesig. Die Resonanz war berührend. Und das Gefühl: Endlich angekommen!
Ein Künstlerduo mit Abenteuer-DNA
Der Ursprung von Queen Kong liegt nicht in Luzern. Sondern in New York. Noch weiter zurück liegt der Ursprung in einer Leidenschaft, die schon früh in Marco brannte. «Er musste schon immer zeichnen», sagt Vero. Und irgendwann war klar: Daraus wird mehr.
2009 entstand das erste gemeinsame Wandbild auf dem legendären 5Pointz-Areal in Queens. Der Name «QueenKong» ist eine Mischung aus Street-Art, Souvenir und einem Augenzwinkern. Dann folgte die Reise: zwei Jahre im Van von Nord- nach Südamerika, mit Spraydosen im Gepäck. Sie bemalten Wände, begegneten Menschen und sammelten Erfahrungen. «Wir haben gelernt, wie vergänglich alles ist – und wie wichtig es ist, im Jetzt zu wirken», sagt Marco.
Die Sprache der Wand
«Wenn man zwei Wochen an einer Wand steht, erlebt man das Quartier hautnah», sagt Vero. «Man merkt, wer morgens den Hund ausführt. Und wer am Nachmittag auf dem Balkon Radio hört.» Ihre Bilder sollen nicht dominieren, sondern sich einfügen. Sie greifen die Geschichte des Ortes auf – manchmal deutlich, manchmal ganz subtil. Ein Strickmuster. Ein Herz. Ein Regenbogen. Kleine Zeichen, die etwas aussagen, ohne aufdringlich zu sein. «Wir mussten auch lernen, damit umzugehen, dass unser Werk beurteilt wird – so oder so», sagt Vero. «Aber das gehört dazu.»
Beton als Bühne
Queen Kong liebt den öffentlichen Raum. Und sie lieben Beton. Nicht nur, weil er grau ist, sondern auch, weil er verlässlich ist. Seine Oberfläche ist vielseitig. Mal rau, mal glatt. Mal ist er besser für den Pinsel geeignet, mal für die Spraydose. «Wir lassen den Beton gerne durchscheinen», erklärt Marco. «Er gibt unseren Bildern Tiefe. Und er erinnert daran, dass alles, was darunter liegt, schon eine Geschichte hat.“ Egal, welche Art von Untergrund – für QueenKong zählt die Fläche. Sie arbeiten mit ihr, nicht gegen sie. Und manchmal entsteht dadurch etwas ganz Eigenes: Kunst, die den Ort nicht zudeckt, sondern betont. Mut zur Veränderung Jedes Wandbild braucht Mut. Immer. Es gibt kein Zurück. Es gibt keinen Radiergummi. Kein «noch einmal von vorn». Das weiss auch QueenKong. Und trotzdem wagen sie es. Immer wieder. Auch bei Projekten, bei denen ihr Werk gedruckt wird. So auch in Hamburg, wo 3 600 Lamellen an einem Hochhaus angebracht wurden. Kein Pinselstrich von ihnen selbst. Nur die Idee, die Farbe, die Aussage. Und das Vertrauen. «Wenn das Gerüst fällt, zeigt sich, ob es funktioniert», sagt Marco. «Das ist ein Moment zwischen Angst und Glück.»
Kunst als Zeichen der Hoffnung
Queen Kong will nicht politisieren. Sie möchte berühren. Ihre Kunst soll verbinden, nicht spalten. Sie soll Hoffnung machen. Sie wollen Schönheit zeigen. Und sie wollen Menschen daran erinnern, dass es im Leben um das Miteinander geht. Um Liebe, Offenheit und Respekt.
Viele ihrer Bilder tragen persönliche Botschaften – auch für ihre Tochter. «Manchmal verstecken wir Symbole, die sie vielleicht erst später entdeckt», sagt Vero. «Ein Herz, ein Strickmuster, ein kleiner Hinweis, dass wir da waren.»
«Dranbleiben, aber nicht verkrampfen»
Auf die Frage, welchen Rat sie jungen Menschen mit auf den Weg geben würden, antworten beide fast gleichzeitig: «Dranbleiben! Aber mit Leichtigkeit.» Kreativität braucht Freiheit. Und Mut. Und manchmal auch eine gewisse Unbekümmertheit.
QueenKong hat sich ihr eigenes Feld geschaffen – irgendwo zwischen Street-Art, Grafikdesign, Fotografie und Fassadenkunst. Sie machen das, was sie lieben. Und sie zeigen, dass es möglich ist. Auch in der Schweiz. Auch auf Beton. Vielleicht bald auch in ihrer Heimatstadt Luzern – ein Wunsch, der noch offen ist.
Herzlichen Dank Vero und Marco für die Unterstützung bei der Umsetzung dieses Berichts.
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Beton statt Barrique
Unter einem schönen Weinkeller stellt man sich ein geräumiges Gewölbe vor, in dem perfekt aufgereiht dutzende Holzfässer lagern, um gewöhnlichen Rebensaft in einen grossartigen Jahrgang zu verwandeln. Dass dieser Effekt auch mithilfe von Beton erzielt werden kann, mag zunächst ungewöhnlich klingen. Doch wenn man bedenkt, dass der Wein in der Antike in Tonamphoren aufbewahrt wurde, erscheint der Ausbau in irdenen Behältnissen nicht mehr so abwegig. Zugegeben, ein Betonfassweinkeller mit überdimensionalen Beton-Eiern wirkt auf den ersten Blick exotisch. Könnten diese Eier vielleicht von einem ausserirdischen Riesenosterhasen im Keller versteckt worden sein?