Raumplanung, Interview
4 Min.

Wohnen in der Vertikalen: Kompakt, durchdacht, städtisch verankert

Zurückgesetzt von der Strasse steht das Haus frei auf einem kleinen Grundstück. Ein Bach durchschneidet das Grundstück teilweise, die Grundfläche ist begrenzt - in die Höhe zu bauen lag nahe. Die vertikale Entwicklung und die eigenwillige Anordnung verleihen dem Haus eine eigene Präsenz im städtischen Raum. Es steht nicht im Vordergrund, sondern für sich.

Wohnen in der Vertikalen: Kompakt, durchdacht, städtisch verankert

Im Video sprechen Gregor Kamplade und Sascha Mathis über Idee und Umsetzung

Gregor Kamplade (links) und Sascha Mathis (rechts)
Gregor Kamplade (links) und Sascha Mathis (rechts)

Das Tragwerk besteht aus betonierten Stützen, aussteifenden Wänden und verputzten Ziegelausfachungen. Diese Elemente bleiben sichtbar - im Inneren wie an der Fassade. Sie sind mehr als statische Notwendigkeit: Sie gliedern, prägen den Ausdruck und schaffen Orientierung. Dort, wo sich die Fassade weiter öffnet, wird das Material dichter und massiver - eine Reaktion auf die Belastung, aber auch eine Geste. Jede Wohnung nimmt ein ganzes Geschoss ein. Die Grundrisse verzichten auf Korridore, stattdessen entstehen Räume - klar gegliedert, aber flexibel nutzbar. Doppelflügeltüren und faltbare Wandelemente mit integrierten Türen ermöglichen wechselnde Wohnszenarien. Räume lassen sich verbinden oder abtrennen. Das Haus passt sich den Bedürfnissen der Menschen an - nicht umgekehrt. Eine 3,5-Zimmer-Wohnung misst rund 75 Quadratmeter - etwa 15 Prozent weniger als üblich. Möglich wird dies durch konsequente Suffizienz: weniger Fläche, aber mehr Qualität. Aus allen Himmelsrichtungen fällt Tageslicht in die Wohnungen. Davon profitieren Küche, Bad und Wohnzimmer ebenso wie die angrenzenden Räume. Beim Durchschreiten der Räume entsteht ein fast schwebendes Raumgefühl. Die erkerartigen Fenster sitzen an den Ecken, erweitern die Blickachsen und vermitteln das Gefühl, fast aus dem Gebäude herauszutreten. Die aussen liegenden Betonstützen vermitteln zwischen innen und aussen, überspielen die Klimahülle und rahmen den Blick in die Umgebung.

Technisch hält sich das Gebäude zurück. Eine Erdsonden-Wärmepumpe versorgt das Haus mit Wärme - und kühlt es im Sommer passiv. Dabei kommt die so genannte freie Kühlung zum Einsatz: Die natürlich vorhandene Temperaturdifferenz wird ohne zusätzliche Gebäudetechnik genutzt. Im Winter kann überschüssige Wärme über einen Wärmetauscher an die kühlere Aussenluft abgegeben werden. Im Sommer dienen Erdsonden oder das Erdreich selbst als natürliche Kühlquelle. Die thermische Trägheit des Betons unterstützt diesen Effekt, speichert Wärme und Kälte und sorgt so für ein ausgeglichenes Raumklima. Auf eine kontrollierte Wohnraumlüftung wurde verzichtet. Ebenso auf eine Tiefgarage. Stattdessen gibt es ein Untergeschoss mit Keller- und Trockenräumen sowie minimale Aussenstellplätze. Der Perimeter wurde nach dem Prinzip der Schwammstadt gestaltet: versickerungsfähige Flächen, keine Asphaltierung, bewusste Ableitung des Regenwassers von den Dächern in den Boden. Auch im Aussenbereich gilt: Ressourcen schonen statt versiegeln.

Verdichtet wohnen in Altstetten. Bild: Rory Gardiner
Verdichtet wohnen in Altstetten. Bild: Rory Gardiner

In unmittelbarer Nähe befinden sich der Bahnhof Altstetten und die Tramhaltestelle. Das Haus steht exemplarisch für die Idee der 15-Minuten-Stadt: Wohnen, Arbeiten, Mobilität und Versorgung in Gehdistanz. Der Bau wurde im Direktauftrag einer privaten Bauherrschaft realisiert. Verantwortlich für Entwurf und Ausführung ist das Zürcher Architekturbüro Mathis & Kamplade Dipl. Architekten ETH. Ihr Anspruch: ein Haus zu bauen, das langlebig, robust und wandelbar ist. Ein Haus, das sich einfügt - und doch seine eigene Sprache spricht.

Zahlen und Fakten

Architektur:
Mathis & Kamplade Dipl. Architekten ETH

Bauzeit:
2021-2024

Bauherrschaft:
Privat

Geschossfläche:
725 m2

Weiterführende Informationen:

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