Raumplanung
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Zukunftsstadt Schweiz: Nachhaltige Verdichtung und die Rolle von Beton in der Raumplanung

Im Gespräch mit Joris Van Wezemael und Damian Jerjen zeigt sich die Vielfalt und Komplexität der Raumplanung und Innenentwicklung in der Schweiz. Beide Experten beleuchten unterschiedliche Aspekte und Herausforderungen, die bei der Gestaltung zukunftsfähiger Stadt- und Raumlandschaften berücksichtigt werden müssen.

Zukunftsstadt Schweiz: Nachhaltige Verdichtung und die Rolle von Beton in der Raumplanung

Transformation zeitgenössischer Stadtlandschaften
Joris Van Wezemael, Inhaber und Geschäftsführer der de plek GmbH sowie ETH-Dozent, hebt hervor, dass die zunehmende Komplexität und Dynamik der Raumplanung eine vielschichtige Herangehensweise erfordert. Entscheidungsträger sollten sich nicht nur auf traditionelle Planungsmethoden verlassen, sondern mutige und innovative Strategien entwickeln. Hierbei plädiert Van Wezemael auch für ganz pragmatische Mittel wie die Einführung einer zweistufigen Baubewilligung, um Verfahren zu entlasten, oder die Etablierung klarer Narrativen – was soll ein Ort, ein Quartier leisten und für wen? – und qualifizierter Entwicklungsziele. Zudem sieht er die Notwendigkeit, Widersprüche und Fehlanreize in der Raumplanungspolitik zu beseitigen und die fiskal-, verkehrs- und raumordnungspolitischen Massnahmen besser zu koordinieren. Die Chancen in der Schweiz stünden zumindest theoretisch gut, weil im UVEK sehr viele Fäden an einer Stelle zusammentreffen.

Joris Van Wezemael, Inhaber und Geschäftsführer der de plek GmbH
Joris Van Wezemael, Inhaber und Geschäftsführer der de plek GmbH

Wohnen und Immobilien
Im Kontext der urbanen Transformation betont Van Wezemael, dass der Fokus der Debatte nicht nur auf den Kernstädten liegen sollte. Er schlägt vor, die «CH-DNA» der Kleinräumigkeit und Übersichtlichkeit unter neuen Vorzeichen wiederzuentdecken und Mixed-Use-Konzepte als neues Normal zu etablieren. Insbesondere für die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum und die Förderung nachhaltiger Wohnkonzepte sei es wichtig, die ideologische Bewirtschaftung von Themen durch die Politik zu vermeiden.

Der Baustoff Beton in der Raumplanung
Beton hat in der modernen Architektur und Stadtplanung eine dominierende Rolle eingenommen. Aufgrund seiner Vielseitigkeit und Beständigkeit ist er aus dem Bauwesen nicht wegzudenken. Doch welche Chancen bietet Beton im Kontext einer nachhaltigen und zukunftsorientierten Raumplanung?

Joris Van Wezemael betont die Notwendigkeit, Beton unter neuen, nachhaltigen Vorzeichen zu betrachten. Beton sei längst durch innovative Techniken und Materialkombinationen weiterentwickelt, um den ökologischen Fussabdruck zu minimieren. Diese Errungenschaften fände man aber eher bei der EMPA als auf der Baustelle. So kann beispielsweise recycelter Beton aus Rückbaumaterialien genutzt werden, um Ressourcen zu schonen und Abfall zu reduzieren. Zudem gibt es bereits neue Beton-Rezepturen, die Beton gar als CO2-Senke nutzen.

Beton kann, richtig eingesetzt, zur Schaffung qualitativ hochwertiger und langlebiger Bauten beitragen kann. In verdichteten Stadtstrukturen bietet Beton die Möglichkeit, stabile und flexible Bauwerke zu schaffen, die auf unterschiedliche Nutzungsanforderungen reagieren können. Dies ist besonders relevant in urbanen Gebieten, wo der Platz begrenzt ist und Gebäude multifunktional genutzt werden müssen.

Symbolbild pixabay
Symbolbild pixabay

Nachhaltige Nutzung von Beton
Die nachhaltige Nutzung von Beton erfordert jedoch eine umfassende Planung und interdisziplinäre Zusammenarbeit. Van Wezemael spricht sich dafür aus, Prinzipien wie die Verdunstung und Versickerung von Regenwasser auch in der Planung von Gebäuden zu berücksichtigen. Dies könnte durch die Integration von begrünten Fassaden und Dächern erreicht werden, die nicht nur das Mikroklima verbessern, sondern auch zur Biodiversität beitragen. Die Langlebigkeit von Beton soll in diesem Kontext eingesetzt werden, um nutzungsflexible Bauten für viele Generationen zu erstellen.

Die Anwendung von Beton bietet vor allem dann Chancen, wenn die Bauweise in die Gesamtheit der raumplanerischen Massnahmen eingebettet ist. Beton könnte beispielsweise in Kombination mit Holz oder anderen nachhaltigen Materialien verwendet werden, um hybride Bauwerke zu schaffen, die sowohl ökologisch als auch ästhetisch ansprechend sind.

Interdisziplinäre Ansätze und Zusammenarbeit
Die Bedeutung interdisziplinärer Ansätze und kooperativer Zusammenarbeit zwischen öffentlichen, zivilgesellschaftlichen und privaten Akteuren wird von beiden Experten betont. Van Wezemael sieht in integrierten und parallel geschalteten Verfahren eine Möglichkeit, die Herausforderungen der Raumplanung effektiver zu bewältigen. Technologie, wie Weiterentwicklungen von GIS-Plattformen, könnte dabei helfen, Durchgängigkeit zu schaffen und räumlich-typologische Varianten mit Hilfe generativer KI zu simulieren und zu visualisieren.

Damian Jerjen, Direktor von EspaceSuisse und Professor of Practice an der ETH Zürich, unterstreicht die Notwendigkeit einer guten Planung und frühzeitigen Mitwirkung aller betroffenen Akteure. Er betont, dass Gemeinden, die ihre Entwicklung aktiv angehen und mit einer aktiven Boden- und Wohnpolitik steuern, am besten fahren. Auch Jerjen sieht in der Verdichtung urbaner Gebiete ein grosses Potenzial und weist darauf hin, dass es in den bestehenden Bauzonen genügend Platz für über 10 Millionen Einwohner gibt. Dieses Potenzial gelte es qualitätsvoll zu nutzen.

Damian Jerjen, Direktor von EspaceSuisse
Damian Jerjen, Direktor von EspaceSuisse

Nachhaltigkeit und Klimaschutz

Im Bereich der nachhaltigen Raumplanung sind beide Experten sich einig, dass ein Perspektivenwechsel hin zu einer starken Nachhaltigkeit notwendig ist. Jerjen ergänzt, dass der Schutz der Biosphäre, eine schadstofffreie Umwelt und die Eindämmung der Klimakrise oberste Priorität haben müssen. Eine solche starke Nachhaltigkeit muss zur übergeordneten Leitlinie der Raumplanung werden. Qualitätsvolle Innenentwicklung, mit dem Ziel, lebenswerte Räume zu schaffen beinhaltet diese Überlegungen und trägt zu klima- und umweltfreundlichen Siedlungen bei. Diese Botschaften gibt EspaceSuisse auch seinen Mitgliedern weiter.

Massnahmen zur Förderung der Innenentwicklung

Konkrete Massnahmen zur Förderung der Innenentwicklung umfassen bei EspaceSuisse die Beratung und Unterstützung von Gemeinden bei der Siedlungsentwicklung und dem Dialog mit der Bevölkerung. Jerjen erwähnt das Konzept des «Dorfgesprächs», bei dem die Bürger aktiv in den Planungsprozess einbezogen werden. Zudem arbeitet EspaceSuisse eng mit Regierungsbehörden, Stadtplanern, Entwicklern und der Zivilgesellschaft zusammen, um eine umfassende und koordinierte Antwort auf die Herausforderungen der Verdichtung, Wohnungsknappheit, Nachhaltigkeit und Klimaschutz zu gewährleisten.

 

Fazit

Die Interviews mit Joris Van Wezemael und Damian Jerjen verdeutlichen, dass die Raumplanung und Innenentwicklung in der Schweiz eine komplexe und interdisziplinäre Aufgabe, aber auch eine grosse Chance für die Lösung von Problemen wie Wohnungsknappheit in Zentren und Stadtreparatur ist. Es erfordert mutige und innovative Strategien, die sowohl die Herausforderungen der Gegenwart als auch die Bedürfnisse der Zukunft berücksichtigen. Die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Akteuren und die Integration von Nachhaltigkeitsprinzipien sind dabei essenziell, um lebenswerte und zukunftsfähige Räume zu schaffen.

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