Tragwerke tragen viel graue Energie in sich.
Experten gehen davon aus, dass im Tragwerk eines neuen Bürogebäudes rund die Hälfte der grauen Energie gespeichert ist. Gelingt es, ein bestehendes Tragwerk für kommende Jahrzehnte zu ertüchtigen, kann sich das für eine Bauherrschaft mehr als nur rechnen. Re-Use von in die Jahre gekommenen Bauten spart nämlich nicht nur Geld, sondern reduziert auch den CO2-Ausstoss und erhält nicht selten wertvolle Bausubstanz.
«Die Frage, die sich bei jedem umzubauenden Gebäude stellt, ist, was der Bestand leisten kann. Ist das Tragwerk in Bezug auf die vorgesehene Nutzung, das Tragverhalten, die Hindernisfreiheit, die Aussteifung im Erdbebenfall und den Brandschutz ökonomisch zu ertüchtigen? Hierbei spielt der bereits verbaute Beton eine entscheidende Rolle, da es ökologisch und ökonomisch sinnvoll ist, möglichst viel davon wiederzuverwenden», so der Architekt Yves Schihin.
Bei der Erweiterung der Schulanlage in Adliswil konnte er und sein Team von Oxid Architektur aufzeigen, dass die Umnutzung des ehemaligen Schwimmbades in einen Mehrzwecksaal den nötigen Erweiterungsbau durch die Verkleinerung verträglicher in den Kontext einbetten liess und gleichzeitig Kosten gespart hat.
Google setzt auf Re-Use mit Signalwirkung
Es muss nicht immer alles brandneu sein. Bei einem von Innovation getriebenen Unternehmen wie Google könnte man vermuten, dass deren Büros stets top modern sein müssten. Google hat sich aber beim Bezug von neuen Büros in Zürich bewusst auf Nachhaltigkeit fokussiert und sich vom Recycling einer bestehenden Liegenschaft überzeugen lassen. Das Gebäude an der Müllerstrasse beim Stauffacher stammt aus den frühen achtziger Jahren und verfügt offenbar über eine sehr solide konzipierte Tragstruktur.
Unter der Leitung von Swiss Prime Sites erfolgt der vollständige Rückbau bis auf die Tragstruktur, die Erneuerung der Fassade und des Dachs sowie der gesamten Gebäudetechnik. Das Projekt soll als Leuchtturmprojekt in Bezug auf nachhaltiges und modernes Bauen gelten. Nicht zuletzt darum, weil alle abgebauten Materialien wiederverwendet werden. Dies spart Transportwege, ist ressourcen- und CO2-schonend und soll helfen, die bestehende Identität von Gebäude sowie Quartier innerhalb der Stadt Zürich zu bewahren.
Harry Gugger Studio verwandelt 100-jährigen Silo in Design-Hostel
Die meisten Bauten der Basler Lagerhausgesellschaft wurde in den letzten 100 Jahren durch Neubauten ersetzt. Im Fall des ehemaligen Silogebäudes hat man das Potenzial von Re-Use erkannt und ein Projekt mit viel Ausstrahlung realisieren können. Im historischen Lagergebäude unweit des badischen Bahnhofs finden sich nun Projekträume und Ateliers als bezahlbarer Wirkungs- und Arbeitsraum für Kulturschaffende, Dienstleister und Gewerbetreibende sowie ein Hostel und ein Restaurant. Der Silo Erlenmatt ist so zum Umschlagplatz für kreative Vielfalt geworden. Baulich wollte man den ursprünglichen Charakter des Hauses bewahren und mit möglichst wenig Eingriffen eine neue Nutzung ermöglichen.
Kern bildet die baukulturell relevante Betontragstruktur der charakteristischen Silo-Kammern. Die Struktur wurde umfassend renoviert und für die neue Nutzung vorbereitet. Hinzu gekommen sind zwei neue Geschossdecken und die Bullaugen-Fenster. Das Team von Harry Gugger Studio hat mit dem Silo Erlenmatt auf sinnvolle wie sinnliche Art eine Bau-Beauty wachgeküsst, die sich sehen lassen kann. Hostelgäste sowie Atelier- und andere Nutzerinnen und Nutzer sind auf alle Fälle nachhaltig begeistert.