Vorfabrikation, Interview
6 Min.

Im Betonelementbau zu Hause

Seit 1963 ist die STÜSSI Betonvorfabrikation AG ein erfahrener Akteur in der Produktion von Betonfertigteilen für den Hoch- und Tiefbau. Das in Dällikon bei Zürich ansässige Familienunternehmen hat sich einen Ruf für die präzise Fertigung von Betonelementen erarbeitet.

Im Betonelementbau zu Hause

STÜSSI ist Mitglied des Fachverbands für Schweizer Betonprodukte SwissBeton und verpflichtet sich zur Reduzierung des ökologischen Fussabdrucks. Durch die Förderung von Recyclingkreisläufen, die Nutzung klinkerreduzierter Zemente und die Berücksichtigung kurzer Transportwege trägt STÜSSI aktiv zur Reduzierung von CO2-Emissionen und Ressourcenverbrauch bei. Die im Jahr 2018 eingeführte neue Betonanlage markiert einen Schritt in Richtung Energieeffizienz und moderner Produktionstechnologien.

Wir hatten das Vergnügen, Tobias Stüssi, einen der beiden kommenden Geschäftsführer des Unternehmens, kennenzulernen und mehr über die Stärken und den Einsatz von Betonprodukten und vorfabrizierten Betonelementen zu erfahren. Im Verlauf unseres Gesprächs wurde deutlich, dass Beton für ihn weit mehr als nur ein Baumaterial ist; für ihn symbolisiert es vielmehr Fortschritt und Zukunft.

Tobias Stüssi
Tobias Stüssi

Welche Vorzüge bietet die Betonvorfabrikation?
Die Betonvorfabrikation bietet entscheidende Vorteile in Bezug auf schnelles Bauen, Qualität und Kosteneffizienz. Durch die präzise Qualitätskontrolle bei der Herstellung von Bauelementen in Fabriken ergeben sich beschleunigte Bauzeiten, reduzierte Gesamtkosten und ein umweltfreundlicherer Ressourceneinsatz. Die Flexibilität im Design und die Minimierung von Baustellenfehlern machen vorfabrizierten Beton zu einer effizienten und attraktiven Bauweise.

Welche vorfabrizierten Betonprodukte gehören zu Ihrem Standard-Repertoire?
Treppen in verschiedenen Ausführungen, sei es gerade, gewendelt, mit oder ohne Podest, sowie Balkone, Brüstungen, Fassadenelemente, aber auch Hallenstrukturen für den Industriebau, Schächte für den Tiefbau und Technikräume.

Was ist das kleinste und grösste Bauteil, das Ihr Unternehmen je hergestellt hat?
Die kleinsten Bauteile, die wir regulär produzieren, sind Treppentritte mit den Abmessungen 35x17x120 cm, welche jeweils 180 kg wiegen. Die grössten Bauteile hingegen waren bisher vorgespannte Träger mit einer Spannweite von 36 Metern und einem Stückgewicht von 36 Tonnen.

Welchen Qualitätsstandards und -prozessen vertrauen Sie und wie werden diese konsequent eingehalten?
Jedes Element durchläuft eine umfassende Kontrolle, beginnend bei der Schalung über die Armierung bis hin zu den Einlageteilen und dem Beton. Unsere Betonproduktion wird zudem extern überwacht, um sicherzustellen, dass wir jederzeit die hohen Erwartungen unserer Kunden erfüllen. Durch unsere schlanke Unternehmensorganisation wird ein effizienter Informationsaustausch über alle Wertschöpfungsstufen gefördert, wodurch die gesetzten Qualitätsstandards in jedem Herstellungsprozessschritt konsequent eingehalten werden.

In den letzten Jahren haben wir erheblich in die Digitalisierung unserer Qualitätssicherungsprozesse investiert, um einen optimierten Datenfluss und die präzise Rückverfolgbarkeit unserer Bauteile zu gewährleisten. Unser Ziel ist es, nicht nur den aktuellen Standards zu entsprechen, sondern auch den Anforderungen an Effizienz und Transparenz in der Qualitätssicherung gerecht zu werden.

 

Wie hat Ihr Unternehmen digitale Prozesse in den täglichen Arbeitsablauf integriert?
Bereits vor über 30 Jahren begann STÜSSI mit der Einführung von digitalen Prozessen, angefangen mit der Implementierung der 3D-Planung. In den letzten 5 Jahren haben wir erheblich in den Aufbau und die Weiterentwicklung unserer digitalen Infrastruktur investiert.

Organisatorisch verfolgen wir den Grundsatz «Software vor Hardware», da chaotische Prozesse nicht automatisierbar sind. Ein klar strukturierter Planungsprozess bildet die Grundlage für eine effiziente und qualitativ hochwertige Produktion. Unsere Produktionsabläufe werden heute digital verwaltet und organisiert. Intern haben wir eine Stelle geschaffen, die sich um die Optimierung und Weiterentwicklung unserer Software kümmert.

Seit über 40 Jahren realisieren Sie vorfabrizierte Wohnbauten in Beton. Wie gestaltet sich der Zeitrahmen für den Rohbau eines solchen Gebäudes?
Für Planung und Produktion sind jeweils 4 bis 6 Monate einzurechnen. Durch geschickte Organisation können beide Prozesse teilweise parallel durchgeführt werden. Die vorproduzierten Betonelemente lassen sich zügig montieren. Regelgeschosse sind bereits innerhalb von 1 bis 2 Arbeitswochen einsatzbereit. Um beispielsweise ein 4-geschossiges Mehrfamilienhaus mit 16 Wohnungen zusammenzubauen, benötigten wir lediglich 52 Tage. Hierbei sind alle Montagearbeiten vom Erdgeschoss bis ins Dachgeschoss, inklusive der Fenstermontage, berücksichtigt. Es ist also möglich, eine dichte Gebäudehülle in weniger als 2 Monaten zu realisieren. Gegenüber der herkömmlichen Bauweise mit Ortbeton und Backsteinmauern entspricht dies einem Zeitgewinn von zirka 2 bis 3 Monaten.

Die Umsetzung solcher Zeitspannen erfordert «Systemdenken». Nach einer kreativen Entwurfsphase ist strukturiert vorzugehen. Im Idealfall wird bereits zu Beginn des Projekts die Einsatzmöglichkeit der Vorfabrikation geprüft. In jedem Fall sollten vorfabrizierte Bauteile vor dem Ortbetonbau geplant werden.

Wie begegnen Sie den Herausforderungen in punkto Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung? Unser Credo lautet: «Es sind die vielen kleinen Dinge, die den grossen Unterschied machen». Wichtig ist, in allen Wertschöpfungsstufen anzusetzen. Produktionsseitig setzen wir seit November 2022 klinkerreduzierten Zement ein, einen der grössten Hebel in Bezug auf die CO2-Thematik. Auch im Bereich der Bauteildimensionierung bringen wir uns gegenüber der Kundschaft aktiv ein. Beispielsweise sind vorfabrizierte Wände 30 bis 40 Prozent schlanker ausführbar als Ortbetonwände. Bei Decken- und Rippenkonstruktionen (TT-Platten) beträgt das Einsparpotenzial sogar 50 Prozent des Betonverbrauchs. Die Möglichkeiten und das Potenzial der Betonvorfabrikation werden aktuell noch unterschätzt. Daran arbeiten wir intensiv.

Das Video bietet spannende Einblicke in den ganzen Montageprozess.
Das Video bietet spannende Einblicke in den ganzen Montageprozess.

Beeindruckende Fassadenelemente aus Beton für Schweizer Museen

STÜSSI ist seit langem im Fassadenbau tätig und spezialisiert auf anspruchsvolle Projekte wie Museumsfassaden. Mit der Realisierung von gleich zwei Museumsfassaden in kurzer Zeit unterstreicht das Unternehmen seine langjährige Fachkompetenz und Qualifikation im Fassadenbau:

ERWEITERUNGSBAU STADTMUSEUM AARAU
Das Stadtmuseum Aarau wurde von Diener & Diener Architekten, in Zusammenarbeit mit Martin Steinmann und Künstler Josef Felix Müller, 2015 erweitert. Die Erweiterung umfasst Ausstellungsräume, Foyer, Untergeschosse mit verschiedenen Funktionen und Verwaltungsräume auf dem Dach.

Die 12 m hohe, 25 m breite Fassade des Neubaus zeigt 134 Betontafeln, gestaltet nach Skizzen des Künstlers. Aus dem Holz des Mammutbaums, der dem Neubau weichen musste, ritzte er Portraits von Menschen und liess mit den Architekten von den Holzschnitten eine einmalige Serie von Betontafeln giessen, um sie am Platz zu einem monumentalen Wandbild zu montieren.

Ein anspruchsvoller Bau, an dem STÜSSI beteiligt war. Welches waren die Knacknüsse?
Die Anforderung, dass die Elemente in «Sandbeton» ausgeführt werden sollten, erwies sich als besonders herausfordernd, da es sich um Beton ohne Kies handelt. Zudem erfolgten die Produktion und Montage vollständig während der Wintermonate, was die Umsetzung – insbesondere die Montage – erschwerte.

Der Schlossplatz in Aarau bekam 2015 durch die Erweiterung des mittelalterlichen Turms eine neue Kopfsituation. (Foto: STÜSSI)
Der Schlossplatz in Aarau bekam 2015 durch die Erweiterung des mittelalterlichen Turms eine neue Kopfsituation. (Foto: STÜSSI)
Die Betonkonstruktion für die angefügten Ausstellungsräume und die Erschliessung nimmt in der Fassade menschliche Züge an: 134 Betontafeln mit 134 skizzierten Menschenportraits. (Foto: STÜSSI)
Die Betonkonstruktion für die angefügten Ausstellungsräume und die Erschliessung nimmt in der Fassade menschliche Züge an: 134 Betontafeln mit 134 skizzierten Menschenportraits. (Foto: STÜSSI)

ERWEITERUNGSBAU KUNSTHAUS ZÜRICH
Das Kunsthaus Zürich wurde durch den Erweiterungsbau von David Chipperfield Architects Berlin im Jahr 2020 zu einem der grössten Kunstmuseen der Schweiz transformiert. Mit einem klaren städtebaulichen Konzept integriert sich der Neubau harmonisch in den stadträumlichen Kontext. Die Fassaden aus Schweizer Jura-Kalkstein und Betonelementen verleihen dem Gebäude eine lebendige Tiefenwirkung. Besondere Merkmale sind das barrierefreie Bauen, der offene Naturraum «Garten der Kunst» und die nachhaltige Bauweise mit über 90% Recyclingbeton. Der Bau richtet sich konsequent nach den Zielen der 2000-Watt-Gesellschaft. So integriert beispielsweise ein Energiekonzept thermoaktive Bauteile, Erdsonden und Photovoltaik.

Wie wurde die Herausforderung bewältigt, die Betonelemente der Fassade farblich so abzustimmen, dass sie in Kombination mit dem Naturstein überzeugten?
Die Fassade des Erweiterungsbaus kombiniert Naturstein und vorfabrizierte Betonelemente, wobei die Betonelemente nebst der Optik auch eine statische Funktion übernehmen. Die Herausforderung bestand darin, sie in der Farbe und Materialität so abzustimmen, dass sie zusammen mit dem Naturstein ein harmonisches Gesamtbild ergeben. STÜSSI hat so lange Muster für Muster produziert, bis die Architekten den perfekten Farbton gefunden haben.

Der von David Chipperfield Architects Berlin konzipierte Erweiterungsbau ergänzt das bestehende Kunsthaus Zürich um ein weiteres, freistehendes Museumsgebäude (Foto: APB21, David Chipperfield Architects)
Der von David Chipperfield Architects Berlin konzipierte Erweiterungsbau ergänzt das bestehende Kunsthaus Zürich um ein weiteres, freistehendes Museumsgebäude (Foto: APB21, David Chipperfield Architects)
Mit nunmehr vier Gebäuden aus unterschiedlichen Epochen wandelt sich das Kunsthaus Zürich zum grössten Kunstmuseum der Schweiz. (Foto: Eingang Heimplatz, APB21, David Chipperflield Architects)
Mit nunmehr vier Gebäuden aus unterschiedlichen Epochen wandelt sich das Kunsthaus Zürich zum grössten Kunstmuseum der Schweiz. (Foto: Eingang Heimplatz, APB21, David Chipperflield Architects)
Mehr über den Bau des Kunsthauses Zürich aus Sicht des Senior Project Architect Jan Parth von David Chipperfield Architects.
Mehr über den Bau des Kunsthauses Zürich aus Sicht des Senior Project Architect Jan Parth von David Chipperfield Architects.

STÜSSI Betonvorfabrikation AG

Um mehr über das umfangreiche Leistungsspektrum erfahren, empfehlen wir Ihnen einen Besuch auf der Website des Unternehmens.

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