Christoph Zeltner ist Fachexperte Kreislaufwirtschaft bei CSD Ingenieure AG. Der Werkstoff-Ingenieur begleitet den Rückbau des LKW-Parkhauses und sagt: «Dieses Projekt ist ein Highlight für mich, da wir das Konzept der Kreislaufwirtschaft weiter konkretisieren können.»
Das 1970 erbaute Parkhaus besteht aus sehr grossen Betonelementen. Die Deckenelemente beispielsweise sind 1,5 Meter breit, im Auflagebereich 50 cm hoch und zwischen 5,5 und 9 Tonnen schwer. Die Demontage ist komplex, da die Elemente schonend und als Ganzes ausgebaut werden müssen. Trotzdem sei das Gebäude gut geeignet für das Re-Use-Konzept, weil der damals verwendete «Baukasten-Satz» übersichtlich sei, sagt Christoph Zeltner: «Das Parkhaus besteht nur aus Deckenelementen, Unterzügen und Stützen. Das vereinfacht den Rückbau und insbesondere auch die statische Überprüfung.»
Herausforderungen bleiben aber auch dann noch genug. Für den Ausbau der Elemente wurden in Versuchsreihen verschiedene Verfahren ausprobiert und stetig weiter verfeinert. Weil das Parkhaus gewisse Toleranzen aufweist – einige Säulen stehen leicht schief und Platten sind teilweise verschoben – muss das Anzeichnen und Herausschneiden der einzelnen Elemente mit grosser Sorgfalt erfolgen. Weil auch der Boden uneben ist, müssen die Schienen für den Schneidapparat genau justiert werden. «Ohne Wasserwaage geht gar nichts», lacht Christoph Zeltner. Aus Rücksicht auf die Anwohnenden wird ausserdem mit speziellen Silent-Blättern geschnitten – und immer hinter Lärmschutzwänden. Einmal pro Woche werden die ausgebauten Betonelemente zum Lagerplatz transportiert. Bis zum Ende der Demontage – voraussichtlich Ende 2025 – sind dafür etwa 350 Lkw-Fahrten nötig.
Ausserdem müssen die Elemente von Schadstoffen befreit und saniert werden. «1'600 asbesthaltige Rohre mussten entfernt werden», sagt Christoph Zeltner. Weiter nennt er die Ölflecken, die es auf einigen der Parkfelder gibt. Diese sind nicht nur optisch ein Problem, sondern können auch der Gesundheit schaden. Anfang 2024 wurden verschiedene Reinigungsmethoden ausprobiert. «Das Abfräsen wurde wieder verworfen, weil die Platten dann nicht mehr eben waren und sich die Qualität der Elemente verminderte», erklärt er. Am Ende zeigte die Kombination aus Reinigungsmittel, heissem Wasser und Hochdruck die besten Resultate. Und was ist mit dem Geruch? Um diese Emissionen zu messen, wurden beheizbare Zelte über die zwei hartnäckigsten Flecken gestellt. «Nach der Reinigung erfüllt jedes Element die Vorgaben der Gesetzgebung. Weil es auf dem Beton einen Bodenaufbau gibt, können die Elemente ohne Bedenken in Wohnräumen eingesetzt werden», erklärt Christoph Zeltner.
Bleibt die Frage, wie viel CO2 mit der Weiterverwendung der Betonelemente eingespart werden kann. «Demontage und Aufbereitung der Betonelemente benötigen ähnlich viel CO2, wie für Abbruch und Aufbereitung zu Betongranulat angefallen wäre», zieht der Fachexperte für Kreislaufwirtschaft eine erste Bilanz. Damit ist der CO2-Fussabdruck der bereitgestellten Re-Use-Betonteile sehr klein. Zur Ermittlung der gesamten Einsparung wird der Nutzen der Teile quantifiziert und der Aufwand für Einbau, Demontage und Aufbereitung davon abgezogen. Diese Bilanzierung erfolgt im Rahmen des Baus der Wohngebäude.
Flexibel denken, planen und bauen
Auch die Architektinnen und Architekten von svnm haben aus dem Rückbau-Projekt erste spannende Erkenntnisse erhalten. Sie haben gesehen, dass vergossene oder geklebte Elemente im Rückbau schwierig sind. «Uns interessierte darum, wie etwas konstruiert sein muss, damit eine zukünftige Wiederverwendung möglich ist», sagt Silvan Muff. Das von Solanellas Van Noten Meister konzipierte Mehrfamilienhaus für Grossfamilien zeichnet sich darum durch flexible Grundrisse aus, die je nach Familienkonstellation angepasst werden können. «Diese Art von Bauen lässt Veränderungen zu und ist somit langlebiger», ergänzt der Architekt.
Dank dem Re-Use-Konzept, das Bauherrschaft, Rückbauer und Architekturbüro gemeinsam verfolgen, wird auch das Leben der Betonelemente verlängert. Nach 55 Jahren in einem Parkhaus stehen sie schon bald in einem Wohnraum. So erhalten die Elemente eine neue Bedeutung, sagt Silvan Muff: «Sie stammen aus den 1970er-Jahren, wo der ökologische Gedanke kaum präsent war. Und nun werden sie Teil eines nachhaltigen Wohngebäudes.» Ein schöner Wandel.